§ 293 S. 1, 2 ZPO gestatten dem Gericht grundsätzlich, das ausländische Recht quasi freibeweislich auch ohne Einholung eines Rechtsgutachtens zu ermitteln. Danach kann das Gericht z.B. Literatur und Entscheidungssammlungen studieren (vgl. dazu etwa Geimer in: Zöller, § 293 Rn 20; Lindacher in: FS für Schumann, 2001, S. 283), ausländische Kollegen befragen (vgl. Kindl ZZP 111, 177, 187 f.), amtliche Auskünfte einholen etc. (vgl. etwa Nagel/Gottwald in: Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2013, § 11 Rn 30; Kindl ZZP 111, 177, 186 ff.). Auch die in früheren Verfahren eingeholten Rechtsgutachten können verwertet werden.
Dieser Weg ist freilich besonders anspruchsvoll. Zwar gibt es mittlerweile verschiedene Abhandlungen zum ausländischen Verkehrsunfallrecht in deutscher Sprache (vgl. etwa die Beiträge in Neidhart, Unfall im Ausland, 5. Aufl. 2007; Feyock/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009; Bachmeier; Ausländischer Anwaltverein in Deutschland e.V., Schadensregulierung bei Verkehrsunfällen in Europa; Lemor in: Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 5. Aufl. 2014, Teil 1 Kap. 3). Aber die große Vielfalt der möglichen Fallkonstellationen vermögen sie häufig nicht vollständig abzubilden. Der Richter muss deshalb i.d.R. auch ausländische Primärquellen auswerten. Das erfordert Fremdsprachenkenntnisse und ein erweitertes Grundverständnis der jeweiligen Rechtsordnung. Zu groß ist ansonsten die Gefahr unbewusster Übernahmen aus der eigenen Rechtsordnung. Die Selbstermittlung des ausländischen Rechts kann deshalb regelmäßig nur in einfacher gelagerten Fällen ernsthaft in Betracht gezogen werden, und auch das nur, wenn gewisse Vorkehrungen getroffen sind. Dazu gehören:
- das Vorhalten einer Literaturauswahl zum Recht der häufig betroffenen Nachbarstaaten,
- die Einrichtung von Spezialzuständigkeiten in Straßenverkehrssachen (vgl. dazu auch schon Luther RabelZ 37, 660, 668; Schack, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 2014, Rn 711 m.w.N.),
- die Erfassung von Rechtsgutachten aus früheren Verfahren,
- das Veröffentlichen einschlägiger Entscheidungen, um sie für andere Gerichte fruchtbar (aber auch einer kritischen Rezension zugänglich) zu machen,
- der Aufbau eines Netzwerkes mit ausländischen Richterkollegen.
Praxishinweis:
Schließlich sollten die Parteien das Gericht schon aus eigenem Antrieb bei der Ermittlung des ausländischen Rechts unterstützen. Die damit verbundenen Chancen werden in der Praxis kaum genutzt.