Ansprüche aus Straßenverkehrsunfällen richten sich in Deutschland nach der Rom II-VO. Die Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht vom 4.5.1971 (nachfolgend: HStÜ) wenden hingegen dieses Übereinkommen an (vgl. Thiede/Kellner VersR 2007, 1624 ff.; Staudinger in: FS für Kropholler, 2008, 691 ff.). Wieder andere Staaten wie Dänemark wenden ihr eigenes Internationales Privatrecht an. Insoweit ist Europa von einer Rechtseinheit weit entfernt.
1. Ort des Schadenseintritts
Nach der allgemeinen Kollisionsnorm des Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO knüpft das internationale Deliktsrecht in Deutschland – ähnlich Art. 3 HStÜ – maßgeblich an den Ort des Schadenseintritts an.
2. Ort des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts
Haben Geschädigter und Schädiger zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, so kommt nach Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO vorrangig dessen Recht zur Anwendung. Das HStÜ knüpft zwar nicht an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt an, kommt aber nach Art. 4b Rom II-VO dann zum selben Ergebnis, wenn die beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge einen gemeinsamen Zulassungsort haben.
3. Ort der offensichtlich engeren Verbindung
Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat als dem des Erfolgsorts oder des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts hat, so ist nach der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO das Recht dieses Staates anzuwenden. Eine solche Ausweichklausel fehlt im HStÜ. Wann im Einzelnen eine offensichtlich engere Verbindung vorliegt, ist noch nicht abschließend geklärt.
Hinweis:
Vertragliche Beziehungen (etwa ein Beförderungsvertrag) können das Recht des Deliktsstatus wohl beeinflussen. Nicht ausreichend sind hingegen etwa familiäre Verbundenheiten (vgl. BGHZ 117, 137, 144 ff.; Luckey SVR 2014, 361, 367; Staudinger SVR 2005, 441, 443), faktische Verbindungen (a.A. aber Spickhoff IPrax 2000, 1, 2; Luckey SVR 2014, 361, 367, str.) und wohl auch die Staatsangehörigkeit für sich allein (vgl. Wurmnest in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2015, Art. 4 Rom II-VO Rn 29; differenzierend allerdings von Hein ZEuP 2009 6, 17).
Teilweise wird versucht, über Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO Massenkarambolagen anzuknüpfen (vgl. Spickhoff in: Bamberger/Roth [Hrsg.], BeckOK-BGB, Ed. 35, Art. 4 VO (EG) 864/2007 Rn 11; im Ansatz auch Luckey SVR 2014, 361, 367). Aber meist ist schon nicht schlüssig zu begründen, zu welchem Recht danach die engste Verbindung bestehen soll. Entgegen z.T. vertretener Auffassung (vgl. LG Berlin NJW-RR 2002, 1107; Vogelsang NZV 1999, 497, 500) dürfte auch bei gemeinsamem Zulassungsort von Mietfahrzeugen eine "offensichtlich engere Verbindung" i.d.R. allenfalls zu den Versicherern, aber nicht zu der unerlaubten Handlung selbst bestehen.
Letztlich kommt es bei der Auslegung von Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO auf eine Würdigung der Gesamtumstände an. Teilweise wird diese sehr flexibel gehandhabt (vgl. dazu etwa High Court, Urt. v. 6.10.2014 – 2014 EWHC 3164 (QB) – Winrow, www.bailii.org ). Die Ergebnisse sind nicht immer verlässlich prognostizierbar.
4. Anknüpfung des Direktanspruchs
Für die Anknüpfung des Direktanspruchs gegen die Haftpflichtversicherung gilt nach Art. 18 Rom II-VO das Günstigkeitsprinzip.
5. Rechtswahl
Nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. a Rom II-VO können die Unfallbeteiligten nachträglich eine Rechtswahl treffen. Danach liegt es scheinbar nahe, dass die deutschen Prozessbevollmächtigten vor dem deutschen Gericht deutsches Sachrecht wählen. Allerdings darf der Rechtsanwalt ohne Einwilligung des Mandanten keine nachteilige Rechtswahl treffen (zutreffend Bachmeier, D/EU Rn 241). Ob die Rechtswahl nachteilig ist, weiß der Rechtsanwalt allerdings erst, wenn er beide Rechte verglichen hat. Er muss sich also jedenfalls grundsätzlich die erforderlichen Kenntnisse des ausländischen Rechts verschaffen (vgl. BGH VersR 1972, 564 ff.; Vill in: Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl. 2015, § 2 Rn 67 ff.). Dann bedarf es aber keiner Rechtswahl aus Vereinfachungsgründen mehr.
6. Zwischenergebnis
Mit der Wahl des Gerichtsstandes kann der Geschädigte – zumindest manchmal – auch das materielle Sachrecht "wählen".