Die Rom II-VO geht grundsätzlich von einer einheitlichen Anknüpfung aus (vgl. Wurmnest in: jurisPK-BGB, Art. 15 Rom II-VO Rn 2; Hohloch in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, Art. 15 VO Rom II Rn 1). Danach unterliegen – beispielhaft – die folgenden Materien der lex causae.
1. Grund und Umfang der Haftung
Nach Art. 15a Rom II-VO richten sich u.a. Grund und Umfang der Haftung nach dem Sachrecht, also etwa die Haltereigenschaft (§ 7 StVG; vgl. Heiss/Loacker JBl 2007, 611, 645; Ofner ZfRV 2008, 13, 15), die Definition des "Betriebs" (§ 7 StVG), aber etwa auch die Haftungsverteilung. Insoweit unterscheiden sich die nationalen Rechte erheblich (vgl. etwa zum französischen Recht einerseits LG Saarbrücken, Urt. v. 11.5.2015 – 13 S 21/1 und zum Schweizer Recht andererseits LG Saarbrücken, Urt. v. 25.6.2015 – 13 S 5/15).
2. Vorliegen, Art und Bemessung des Schadens
Ebenfalls dem Haftungsstatut unterfällt der haftungsausfüllende Tatbestand (Art. 15c Rom II-VO), also etwa die Frage, ob der Schaden fiktiv abgerechnet werden kann und inwiefern die Mehrwertsteuer erstattungsfähig ist. Auch insoweit bestehen Unterschiede (vgl. etwa zur Bemessung von Schmerzensgeldern im Ausland Vismara, Gen Re, Claims Focus 2014, 1 ff.; Schomerus/Hartmann DAR 2015, 484, 487).
3. Besonderheit: Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände bei Personenschäden
Nach Erwägungsgrund Nr. 33 Rom II-VO sind bei Personenschäden, wenn sich der Unfall in einem anderen Staat als dem des gewöhnlichen Aufenthalts des Opfers ereignet hat, alle relevanten tatsächlichen Umstände des jeweiligen Opfers zu berücksichtigen. Das wird überwiegend dahin verstanden, dass der maßgebliche Auslandssachverhalt im Rahmen der Anwendung des materiellen Rechts faktisch zu berücksichtigen ist (vgl. Junker in: MüKo-BGB, 6. Aufl. 2015, Art. 15 Rom II-VO Rn 17; Kadner Graziano RablsZ 73, 1, 14 ff.). Danach ist etwa den unterschiedlichen Kaufkraftverhältnissen – z.B. bei der Bemessung des Schmerzensgeldes – Rechnung zu tragen (vgl. Jakob/Picht in: Rauscher, Art. 17 Rom II-VO Rn 14; kritisch Huber SVR 2009, 9 ff.). Dem deutschen Recht ist eine – wenngleich behutsame – Berücksichtigung solcher Faktoren durchaus nicht fremd (vgl. OLG Frankfurt zfs 2004, 452 ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 10.2.2014 – 5 U 111/13, juris; dazu auch Huber NZV 2006, 269 ff. m.w.N.).
4. Bedingungen für Erlöschen von Verpflichtungen und Vorschriften über Verjährung
Nach dem anzuwendenden Sachrecht beurteilt sich auch das Erlöschen des Anspruchs, etwa die Verjährung (Art. 15h Rom II-VO). Auch hier bestehen erhebliche Unterschiede (vgl. etwa Art. 1968 N°2 spanischer Cc [ein Jahr]; Art. 2224 französischer Cc [zehn Jahre für Körperschäden]; Art. 121-21 d) Cc de Cataluña [drei Jahre]).
5. Faktische Berücksichtigung von Sicherheits- und Verhaltensregeln
Nach Art. 17 Rom II-VO sind Sicherheits- und Verhaltensregeln am Ort des haftungsbegründenden Ereignisses faktisch und soweit angemessen zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Sonderanknüpfung. Vielmehr wird der Auslandssachverhalt lediglich als Faktum auf der Sachrechtsebene berücksichtigt (vgl. Junker NJW 2007, 3675, 3681; Heiss/Loacker JBl. 2007, 613, 637). Das kann durchaus zu Modifikationen führen. Zwar müssen beispielsweise zwei in Deutschland wohnhafte Verkehrsteilnehmer in England das Linksfahrgebot (uneingeschränkt) beachten (vgl. Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl. 2014, § 2 Rn 25; Spickhoff in: Bamberger/Roth, Art. 17 Rom II-VO Rn 4). Die bloß faktische Berücksichtigung kann aber dazu führen, dass der Fahrer, der versehentlich das Linksfahrgebot missachtet, gegenüber dem geschädigten Beifahrer nicht stets grob fahrlässig handelt, wenn beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (vgl. BGH VersR 2009, 558 ff.).
6. Ausnahme: Beweis und Verfahren
Nicht dem Sachrecht unterliegen Beweis und Verfahren, Art. 1 Abs. 3 Rom II-VO. Danach beurteilt sich beispielsweise die Beweisbedürftigkeit (vgl. Junker in: MüKo-BGB, Art. 22 Rom II-VO Rn 3; Jakob/Picht in: Rauscher, 2011, Art. 22 Rom II-VO Rn 12) nach dem Recht des Gerichtsortes, der lex fori. Gleiches gilt für die Beweiswürdigung (vgl. Ahrens in: Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 2015, Kap. 58, § 196 Rn 22; Jakob/Picht in: Rauscher, Art. 22 Rom II-VO Rn 12).
Umstritten ist die Behandlung des Beweismaßes. Im Unfallprozess wird das insbesondere für die Abgrenzung von § 286 ZPO und § 287 ZPO – bzw. der jeweiligen Kategorien des ausländischen Rechts – praktisch relevant. Mich überzeugt die h.M., die auf die lex fori abstellt (vgl. BGH WM 1977, 793; OLG Stuttgart, Urt. v. 27.4.2015 – 5 U 120/14, juris; OLG Koblenz IPRax 1994, 302; OLG Hamm FamRZ 1987, 1307, 1308; LG Saarbrücken NJW 2015, 2823 ff.). Die praktische Handhabung des Beweismaßes steht in einem engen Zusammenhang mit der Beweiswürdigung. Der deutsche Richter füllt Begriffe wie "überwiegende Wahrscheinlichkeit" oder "vernünftiger Grad an Gewissheit" vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen in der Beweiswürdigung nach deutschem Recht mit Leben. Dem ausländischen Richter fällt das ungleich schwerer – und umgekehrt.
7. Gesetzliche Vermutungen und Beweislastverteilung
Nach Art. 22 Rom II-VO ist das Deliktstatut auch anzuwenden, soweit es gesetzliche Vermutungen aufstellt oder die Beweislast verteilt. Streitig ist die Behandlung des Anscheinsbeweises. Richtigerweise sollte der Anscheinsbeweis der lex fori unterst...