Die Erfolgsaussichten der geplanten Sanierung können regelmäßig nur dann sicher beurteilt werden, wenn die Ursachen der aktuellen Krise festgestellt sind, der Kreis der beteiligten Gläubiger feststeht, Klarheit über die durchzuführenden Maßnahmen zur Beseitigung der (drohenden) Insolvenzreife herrscht, die Zuführung frischer finanzieller Mittel gesichert ist und eine belastbare Prognose zu der Frage existiert, welche Auswirkungen diese Maßnahmen auf die künftige Zahlungsfähigkeit und Rentabilität des Unternehmens haben werden. Erforderlich ist eine Beurteilung aus der Sicht eines unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmanns, der nicht unbedingt über eine bestimmte Berufsausbildung – etwa als Rechtsanwalt, Steuerberater, Betriebswirt, Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer o.ä. – verfügen muss, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen aber zeitnah vorgelegen haben müssen. Kann aus dessen sachverständiger Sicht von einer erfolgversprechenden Sanierung ausgegangen werden, die durch ein entsprechendes Konzept dokumentiert sein muss, darf der Schuldner die sonst möglicherweise gebotene Insolvenzantragstellung unterlassen und trotz der ihm vorliegenden Hinweise auf die (drohende) Insolvenzreife im Rahmen der Sanierung Leistungen an die Gläubiger erbringen, ohne sich dem Vorwurf der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung auszusetzen. Bei der Befriedigung der beteiligten Gläubiger handelt er dann in erster Linie zur Rettung seines Unternehmens. Der sonst festzustellende Wille vorsätzlich bestimmte Gläubiger zu benachteiligen, tritt in den Hintergrund.
a) Klärung der Krisenursachen
Grundlegende Voraussetzung jeder Sanierung ist die Klärung der Ursachen der eingetretenen Krise des Unternehmens und eine umfassende Bestandaufnahme, welche die finanzielle und wirtschaftliche Situation komplett offenlegt. Im Hinblick auf die daran anknüpfenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit und Rentabilität des Unternehmens, ist in jedem Fall festzustellen, ob die Sanierung aufgrund fehlender finanzieller Mittel zur Begleichung der Verbindlichkeiten erforderlich geworden ist, oder ob es sich um eine strukturelle Krise handelt, die durch ein nicht mehr funktionierendes Geschäftsmodell, unrentable Produktionsbedingungen, nicht mehr zeitgemäße Produkte, veraltete Produktionsstätten, sonstige betriebliche Gründe, einen wegbrechenden Absatzmarkt, politische Sanktionen, fehlende Wettbewerbsfähigkeit oder ähnliches verursacht wird. Handelt es sich – ausnahmsweise – um eine reine Finanzkrise, die z.B. auf unvorhergesehenen Zahlungsausfällen, mangelhaften Produkten, die zu Schadensersatzforderungen führen, langwierigen kostenträchtigen Rechtsstreitigkeiten, der schleppenden Zahlungsweise von Kunden, streikbedingten Ausfällen oder sonstigen überraschenden finanziellen Verlusten begründet ist, sind andere Sanierungsmaßnahmen als bei einer strukturellen Krise zu treffen.
Bei einer rein finanziellen Durststrecke kann der Verzicht auf Forderungen und die Zuführung frischen Kapitals möglicherweise ausreichen, um die Insolvenzreife zu überwinden. Im Fall einer strukturellen Krise können derartige Maßnahmen dagegen allenfalls zu einer kurzfristigen Verbesserung der Liquidität führen, ohne die (drohende) Insolvenz nachhaltig zu beseitigen. Von der Feststellung und Darstellung der Krisenursachen hängt die Beurteilung der geplanten Maßnahmen deshalb entscheidend ab. Ohne Kenntnis der Ursachen der Unternehmenskrise ist eine erfolgversprechende Sanierung nicht denkbar. Werden die Ursachen, die zur (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geführt haben, nicht sorgfältig ermittelt, ist der Sanierungsversuch zum Scheitern verurteilt. Der Schuldner handelt weiter mit Benachteiligungsvorsatz; Leistungen an die Gläubiger können angefochten werden, antragspflichtige Organe, die ihrer Antragspflicht nicht nachkommen, machen sich strafbar und können auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.
Hinweis:
Die Frage, ob die Krisenursachen ausreichend ermittelt und in dem Sanierungskonzept dargestellt sind, muss also für den anwaltlichen Berater die erste entscheidende Fragestellung im Hinblick auf die Zielrichtung der anwaltlichen Beratung sein. Enthält das Konzept keinen sorgfältig ermittelten Vermögens- und Liquiditätsstatus und sind die Krisenursachen nicht klar herausgearbeitet, ist es als untauglich zu verwerfen.
b) Grundsätze für die Beteiligung der Gläubiger
Das Sanierungskonzept muss nicht notwendig sämtliche Gläubiger erfassen. Ein auf einen Teil der Gläubiger beschränkter Sanierungsversuch – beispielsweise umfangreiche Forderungsverzichte der Hauptgläubiger durch die dem Schuldner neue Liquidität verschafft wird – kann genügen. Sämtliche Gläubiger sind schon deshalb nicht zwingend zu beteiligen, weil nach der Lebenserfahrung die Zustimmung aller regelmäßig nicht zu erreichen ist. Denkbar ist auch, dass für unterschiedliche Gläubiger unterschiedliche Quoten gebildet werden. So ist es erfahrungsgemäß schwieriger Kleingläubiger, für die Forderungsverzichte erheblich einschneidender sein können als für ...