Für zahlungsschwache Schuldner, die kurz vor der Insolvenz stehen, stellt sich regelmäßig die Frage, ob sie sich dem Insolvenzverfahren stellen, den Versuch machen ihr defizitäres Unternehmen zu sanieren oder – sei es bewusst oder unbewusst – den Kopf in den Sand stecken und weiterwirtschaften, bis gar nichts mehr geht. Dabei ist entgegen mancher Erwartungen, die schon bei Verabschiedung der Insolvenzordnung gehegt wurden und die auch im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) wieder hervorgehoben worden sind, die Bereitschaft Insolvenzanträge zu stellen, vergleichsweise niedrig. Von der Möglichkeit, einen Eigenantrag schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) zu stellen, wird höchst selten Gebrauch gemacht. Selbst wenn Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 InsO schon eingetreten ist oder Überschuldung gem. § 19 InsO vorliegt, sind Schuldner, die eine Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) trifft, weil es sich um juristische Personen handelt, häufig zur Antragstellung nicht bereit. Von ihren Organen wird eher die – ohnehin nur ungern verfolgte und i.d.R. mit geringen Strafen geahndete – Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 oder 5 InsO in Kauf genommen, als rechtzeitig Schluss zu machen. Die mögliche Schadensersatzpflicht – etwa aus § 64 GmbHG oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO – wird offensichtlich nicht ernst genommen, obwohl sie bei antragspflichtigen Organen, die noch zahlungsfähig sind, den Weg in die persönliche Insolvenz bedeuten kann. Häufig spielen mögliche Schadensersatzansprüche auch keine Rolle mehr, weil die antragspflichtigen Organe selbst kein Vermögen haben, in das vollstreckt werden könnte.

Die Haftung für Gesamtschäden der späteren Insolvenzmasse kann daneben vernachlässigt werden. Insoweit ist es regelmäßig unmöglich, den Schaden zu berechnen, welchen die Gläubiger erleiden, weil der Schuldner um Monate oder Jahre verspätet Insolvenz angemeldet hat. Hieran hat sich in den letzten knapp 25 Jahren Insolvenzverschleppungshaftung wenig geändert. Das Risiko, aus § 64 GmbHG oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO in Anspruch genommen zu werden, besteht regelmäßig nur im Fall der Verfahrenseröffnung. Gelingt es, diese zu vermeiden, indem das Vermögen der juristischen Person soweit heruntergewirtschaftet wird, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens nicht mehr gedeckt sind, kann den Organen juristischer Personen relativ wenig passieren. Dies dürfte in etwa dem Kalkül derjenigen Schuldner entsprechen, die untätig bleiben, unterstellt, ihnen sind die Risiken einer Insolvenzverschleppung überhaupt geläufig. Anders ist der Zeitraum zwischen Eintritt der materiellen Insolvenz und der tatsächlichen Antragstellung, der bei insolvenzgefährdeten Gesellschaftsformen i.d.R. bei durchschnittlich ein bis zwei Jahren und damit weit über der vom Gesetzgeber erlaubten Maximalfrist von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung liegt, nicht zu erklären.

Entscheidet sich ein Schuldner ausnahmsweise dennoch für eine Sanierung, stellt sich die von außen schwer zu beurteilende Frage, ob es sich um einen ernsthaften und erfolgversprechenden Sanierungsversuch handelt, oder ob der Schuldner lediglich Zeit gewinnen will, um seinem Unternehmen die letzten Vermögenswerte entziehen zu können. Die Aussicht, dass es sich um einen von vornherein zum Scheitern verurteilten (scheinbaren) Sanierungsversuch handelt, ist dabei mindestens ebenso groß, wie die Chance, dass der Schuldner – sei es mit oder ohne die Beratung durch einen Sanierungsspezialisten – einen ernsthaften und erfolgversprechenden Sanierungsversuch plant. Geht es nur darum, Zeit zu gewinnen, ohne dass letztlich wirklich etwas verändert werden soll, wird der Schuldner alle möglichen Vorschläge und Hoffnungen machen, ohne allzu konkret zu werden. Ist er ernsthaft um Sanierung bemüht, kann ein Sanierungskonzept erwartet werden, welches eine Beurteilung der Erfolgsaussichten der Sanierung ermöglicht. Wie zwischen diesen Alternativen zu unterscheiden ist und unter welchen Bedingungen der anwaltliche Berater dem Sanierungsversuch trauen darf, soll in den folgenden Ausführungen unter dem Blickwinkel der Rechtsprechung zum Anfechtungsrecht gezeigt werden.

 

Hinweis:

Hinweise auf die Verhaltensregeln, die ein Rechtsanwalt zu beachten hat, wenn im Rahmen seines Beratungsauftrags zu beurteilen ist, ob ein Sanierungsplan als erfolgversprechend angesehen werden kann – beispielsweise, wenn es darum geht, ob ein anwaltlich beratener Gläubiger einem Plan zustimmen kann, in dem ihm die teilweise Befriedigung lange offener und vielfach eingeforderter Verbindlichkeiten versprochen wird – gibt eine aktuelle Entscheidung des BGH, in der es um grundlegende Fragen der anfechtungsrechtlich beachtlichen Sanierung von Unternehmen ging.

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