Geht es um die anwaltliche Beratung des Schuldners – sei es bei der Erstellung eines Sanierungskonzepts, sei es im Rahmen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Schuldners oder seiner Organe, die als Dritte in den Schutzbereich der Verträge mit den Beratern einbezogen sein können –, so müssen strengere Anforderungen an das Konzept gestellt werden. Der Gläubiger muss ausreichende Informationen haben, um von einem ernsthaften und erfolgversprechenden Sanierungsversuch auszugehen, ohne dass ihm dieses Konzept in allen Einzelheiten bekannt sein muss. Er kann sich im Regelfall auf die Angaben des Schuldners verlassen, wenn er keine Anhaltspunkte hat, dass diese nicht stimmen. Dagegen ist aus der Sicht des Schuldners ein detaillierter Plan mit einem schlüssigen Konzept, in dem die Einzelheiten der Sanierung dargestellt sind, zu verlangen. Das Konzept muss den nachfolgend aufgeführten Mindeststandards genügen, die erfüllt sein müssen, um von der fachgerechten Erstellung eines Sanierungskonzepts auszugehen, auf welches sich der Schuldner und seine Organe verlassen können und welches sie ggf. von der Pflicht entbindet, Insolvenzantrag zu stellen. Dieses Konzept muss einer sachverständigen Überprüfung standhalten können.

1. Mindestanforderungen an das für den Schuldner zu erstellende Konzept

Die Erfolgsaussichten der geplanten Sanierung können regelmäßig nur dann sicher beurteilt werden, wenn die Ursachen der aktuellen Krise festgestellt sind, der Kreis der beteiligten Gläubiger feststeht, Klarheit über die durchzuführenden Maßnahmen zur Beseitigung der (drohenden) Insolvenzreife herrscht, die Zuführung frischer finanzieller Mittel gesichert ist und eine belastbare Prognose zu der Frage existiert, welche Auswirkungen diese Maßnahmen auf die künftige Zahlungsfähigkeit und Rentabilität des Unternehmens haben werden. Erforderlich ist eine Beurteilung aus der Sicht eines unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmanns, der nicht unbedingt über eine bestimmte Berufsausbildung – etwa als Rechtsanwalt, Steuerberater, Betriebswirt, Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer o.ä. – verfügen muss, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen aber zeitnah vorgelegen haben müssen. Kann aus dessen sachverständiger Sicht von einer erfolgversprechenden Sanierung ausgegangen werden, die durch ein entsprechendes Konzept dokumentiert sein muss, darf der Schuldner die sonst möglicherweise gebotene Insolvenzantragstellung unterlassen und trotz der ihm vorliegenden Hinweise auf die (drohende) Insolvenzreife im Rahmen der Sanierung Leistungen an die Gläubiger erbringen, ohne sich dem Vorwurf der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung auszusetzen. Bei der Befriedigung der beteiligten Gläubiger handelt er dann in erster Linie zur Rettung seines Unternehmens. Der sonst festzustellende Wille vorsätzlich bestimmte Gläubiger zu benachteiligen, tritt in den Hintergrund.

a) Klärung der Krisenursachen

Grundlegende Voraussetzung jeder Sanierung ist die Klärung der Ursachen der eingetretenen Krise des Unternehmens und eine umfassende Bestandaufnahme, welche die finanzielle und wirtschaftliche Situation komplett offenlegt. Im Hinblick auf die daran anknüpfenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit und Rentabilität des Unternehmens, ist in jedem Fall festzustellen, ob die Sanierung aufgrund fehlender finanzieller Mittel zur Begleichung der Verbindlichkeiten erforderlich geworden ist, oder ob es sich um eine strukturelle Krise handelt, die durch ein nicht mehr funktionierendes Geschäftsmodell, unrentable Produktionsbedingungen, nicht mehr zeitgemäße Produkte, veraltete Produktionsstätten, sonstige betriebliche Gründe, einen wegbrechenden Absatzmarkt, politische Sanktionen, fehlende Wettbewerbsfähigkeit oder ähnliches verursacht wird. Handelt es sich – ausnahmsweise – um eine reine Finanzkrise, die z.B. auf unvorhergesehenen Zahlungsausfällen, mangelhaften Produkten, die zu Schadensersatzforderungen führen, langwierigen kostenträchtigen Rechtsstreitigkeiten, der schleppenden Zahlungsweise von Kunden, streikbedingten Ausfällen oder sonstigen überraschenden finanziellen Verlusten begründet ist, sind andere Sanierungsmaßnahmen als bei einer strukturellen Krise zu treffen.

Bei einer rein finanziellen Durststrecke kann der Verzicht auf Forderungen und die Zuführung frischen Kapitals möglicherweise ausreichen, um die Insolvenzreife zu überwinden. Im Fall einer strukturellen Krise können derartige Maßnahmen dagegen allenfalls zu einer kurzfristigen Verbesserung der Liquidität führen, ohne die (drohende) Insolvenz nachhaltig zu beseitigen. Von der Feststellung und Darstellung der Krisenursachen hängt die Beurteilung der geplanten Maßnahmen deshalb entscheidend ab. Ohne Kenntnis der Ursachen der Unternehmenskrise ist eine erfolgversprechende Sanierung nicht denkbar. Werden die Ursachen, die zur (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geführt haben, nicht sorgfältig ermittelt, ist der Sanierungsversuch zum Scheitern verurteilt. Der Schuldner handelt weiter mit Benachteiligungsvorsatz; Leistungen an die Gläubiger können angefocht...

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