I. Einleitung
Im nachfolgenden Beitrag werden die Anforderungen aufgezeigt, welche an die anwaltliche Beratung eines Schuldners zu stellen sind, der sich in einer finanziellen Krise befindet und einen ernsthaften und erfolgversprechenden Sanierungsversuch in Angriff nimmt. Will der Schuldner einen sonst unumgänglichen Insolvenzantrag vermeiden, muss der von ihm unternommene Versuch, seine Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen oder zu sichern, bestimmten Mindesterfordernissen genügen, damit ihm nicht später der Vorwurf der Insolvenzverschleppung gemacht werden kann. Wird der Schuldner bei dem Versuch, sein Unternehmen zu retten, von einem Anwalt rechtlich beraten, muss auch dieser auf die Erfüllung der Mindestanforderungen an einen ernsthaften und erfolgversprechenden Sanierungsversuch achten, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, später von dem Mandanten wegen dessen persönlicher Haftung – etwa als Geschäftsführer einer GmbH wegen Insolvenzverschleppung oder verbotener Auszahlungen gem. § 64 GmbHG – in Regress genommen zu werden. Der Vorwurf kann lauten, den Mandanten nicht auf die Gefahren unzureichender und damit ungeeigneter Sanierungsmaßnahmen hingewiesen zu haben. Tritt der Anwalt nach außen für den Schuldner in Erscheinung, kann ihm möglicherweise der Vorwurf der Mitwirkung an einer Täuschungshandlung des Schuldners gemacht werden.
Bei der Beratung von Gläubigern, die sich auf einen solchen Sanierungsversuch eines Schuldners einlassen, um wenigstens Teilbeträge ihrer überfälligen Forderungen zu retten, bestehen ähnliche Risiken. Rät der Anwalt einem Gläubiger, das Teil- oder Ratenzahlungsangebot eines Schuldners anzunehmen, kann er sich dem Vorwurf aussetzen, den Gläubiger fehlerhaft beraten zu haben, wenn es sich erkennbar nicht um ein ernsthaftes und erfolgversprechendes Sanierungsangebot gehandelt hat. Der Gläubiger kann ihn möglicherweise auf Schadensersatz wegen der Kosten eines verlorenen Anfechtungsprozesses in Anspruch nehmen. Hätte der Gläubiger im Fall der Mitwirkungsverweigerung eine Chance gehabt, seine Forderung ganz oder zum Teil anfechtungsfrei – etwa im Wege der Zwangsvollstreckung außerhalb der Frist von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag – durchzusetzen, kann auch der Verlust dieser Option ein ersatzfähiger Schaden sein. Weiterhin kann es um die Vertretung eines Gläubigers in einem Anfechtungsprozess gehen, in dem der Insolvenzverwalter Zahlungen zurückfordert, welche der Gläubiger im Rahmen der von ihm gebilligten fehlgeschlagenen Sanierung erhalten hat. Auch insoweit ist die Kenntnis der Voraussetzungen, unter denen ein Sanierungsangebot als ernsthaft und erfolgversprechend angesehen werden kann, unerlässlich. Entsprechendes gilt naturgemäß auch bei Vertretung des Insolvenzverwalters in einem Anfechtungsprozess, in dem er im Rahmen einer untauglichen Sanierung erbrachte Leistungen zurückfordert.
II. Verhaltensalternativen des Schuldners in der Krise
Für zahlungsschwache Schuldner, die kurz vor der Insolvenz stehen, stellt sich regelmäßig die Frage, ob sie sich dem Insolvenzverfahren stellen, den Versuch machen ihr defizitäres Unternehmen zu sanieren oder – sei es bewusst oder unbewusst – den Kopf in den Sand stecken und weiterwirtschaften, bis gar nichts mehr geht. Dabei ist entgegen mancher Erwartungen, die schon bei Verabschiedung der Insolvenzordnung gehegt wurden und die auch im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) wieder hervorgehoben worden sind, die Bereitschaft Insolvenzanträge zu stellen, vergleichsweise niedrig. Von der Möglichkeit, einen Eigenantrag schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) zu stellen, wird höchst selten Gebrauch gemacht. Selbst wenn Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 InsO schon eingetreten ist oder Überschuldung gem. § 19 InsO vorliegt, sind Schuldner, die eine Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) trifft, weil es sich um juristische Personen handelt, häufig zur Antragstellung nicht bereit. Von ihren Organen wird eher die – ohnehin nur ungern verfolgte und i.d.R. mit geringen Strafen geahndete – Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 oder 5 InsO in Kauf genommen, als rechtzeitig Schluss zu machen. Die mögliche Schadensersatzpflicht – etwa aus § 64 GmbHG oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO – wird offensichtlich nicht ernst genommen, obwohl sie bei antragspflichtigen Organen, die noch zahlungsfähig sind, den Weg in die persönliche Insolvenz bedeuten kann. Häufig spielen mögliche Schadensersatzansprüche auch keine Rolle mehr, weil die antragspflichtigen Organe selbst kein Vermögen haben, in das vollstreckt werden könnte.
Die Haftung für Gesamtschäden der späteren Insolvenzmasse kann daneben vernachlässigt werden. Insoweit ist es regelmäßig unmöglich, den Schaden zu berechnen, welchen die Gläubiger erleiden, weil der Schuldner um Monate oder Jahre verspätet Insolvenz angemeldet hat. Hieran hat sich in den letzten knapp 25 Jahren Insolvenzverschleppungshaftung wenig geändert. Das Risiko, aus § 64 GmbHG oder aus § ...