Die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei "bricht momentan zusammen" – dies war das Fazit der Reise einer mehrköpfigen Delegation des Deutschen Anwaltvereins in das Land am Bosporus. Die Anwälte wollten sich ein eigenes Bild über die Situation der Anwaltschaft und der Justiz verschaffen und sprachen mit Vertretern der Regierung und auch mit Vertretern der Opposition. Das Ergebnis war "erschreckend", wie anschließend verlautete.

In den ersten fünf Tagen hätten Inhaftierte keinen Kontakt zu einem Anwalt, dann nur einmal die Woche für eine Stunde, Aufzeichnungen könnten nicht gemacht, Dokumente nicht ausgetauscht werden. Das Klima der Angst bestimme die Tätigkeit, Repressionen seien an der Tagesordnung. Auch um die Pressefreiheit stehe es nicht besser; ein Besuch der Delegation in der Redaktion der letzten freien Tageszeitung "Cumhuriyet" sei frustrierend verlaufen, so die Anwälte.

Die Bundesrechtsanwaltskammer richtete unterdessen einen offenen Brief an den türkischen Justizminister Bekir Bozdağ, in dem sie sich angesichts der hohen Zahl der Verhafteten besorgt äußerte und die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien forderte. Nach aktuellen Angaben aus der türkischen Anwaltschaft sollen sich noch immer ca. 270 Rechtsanwälte in Haft befinden, nachdem ihnen, wie auch zahlreichen Richtern und Staatsanwälten, die Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen vorgeworfen wurde. Unter den inhaftierten Rechtsanwälten sollen sich auch mehrere Präsidenten und ehemalige Präsidenten der regionalen Anwaltskammern befinden. Landesweit sollen aufgrund desselben Vorwurfs 29 Anwaltsvereine verboten und ihr Vermögen beschlagnahmt worden sein.

[Quellen: DAV/BRAK]

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge