Man möchte fast sagen, "wenn es mal wieder länger dauert"; denn ein Eigenbedarfsverfahren beschäftigte den BGH jetzt schon zum zweiten Mal: Der Vermieter hatte im Oktober 2012 eine vom Mieter im Jahre 2000 angemietete ca. 130 qm große Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt, weil der Sohn dort mit einem guten Freund während seines Studiums wohnen wollte. Das LG hatte die Klage abgewiesen, weil ein überhöhter Eigenbedarf vorliege. Das Urteil hat der BGH im ersten Verfahren (BGH GE 2015, 585 = DWW 2015, 133 = WuM 2015, 304 = NJW 2015, 1590 = NZM 2015, 378 = ZMR 2015, 923 = MietPrax-AK, § 573 BGB Nr. 49 m. Anm. Börstinghaus; Blank jurisPR-MietR 8/2015 Anm. 4; Drasdo NJW-Spezial 2015, 321; Bittner MietRB 2015, 162; Rolfs LMK 2015, 369226) aufgehoben und die Sache an eine andere Kammer des LG zurückverwiesen. Die Gerichte hätten grundsätzlich zu respektieren, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich oder seine Angehörigen als angemessen ansieht. Sie seien daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters zu setzen. Der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf sei nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen. Rechtsmissbräuchlich sei nicht schon der überhöhte, sondern erst der weit überhöhte Wohnbedarf. Die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, haben die Gerichte unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen. Der Senat hatte es damals abgelehnt konkrete Richtwerte (etwa Wohnfläche pro Person o.ä.) aufzustellen, ab welcher Grenze bei einem Alleinstehenden von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen ist. Denn diese Beurteilung hänge nicht allein von der in Anspruch genommenen Wohnfläche oder der Anzahl der Räume ab, sondern von einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls.
Daraufhin hat eine andere Kammer den Mieter zur Räumung verurteilt. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Mieters hat der BGH (WuM 2016, 628/685 [Ls.] = NZM 2016, 715 = GE 2016, 1377 = ZMR 2016, 852 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 58 m. Anm. Börstinghaus; Beyer juris-MietR 24/2016 Anm. 4) auch dieses Urteil wieder aufgehoben und die Sache an eine dritte Kammer des LG Karlsruhe zurückverwiesen. Ausschlaggebend war hierfür, dass die Mieter behauptet hatten, dass der Sohn auch in eine freigewordene und am 1.5.2012 weitervermietete Erdgeschosswohnung hätte einziehen können, da damals schon der Wunsch bestand hätte, ins Haus zu ziehen. Das LG hatte diesen Sachverhalt nicht aufgeklärt, worin der Senat einen Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 GG gesehen hat. Das LG hatte den Vortrag – teilweise – als wahr unterstellt. Genau dies war nach Ansicht des Senats aber unzulässig. Voraussetzung einer zulässigen Wahrunterstellung ist, dass die Behauptung so übernommen wird, wie die Partei sie aufgestellt hat. Und dazu zählte hier auch die Behauptung, dass der Wunsch die Wohnung mit einem Freund zu beziehen, beim Sohn schon zum Zeitpunkt vorgelegen hatte, als die Alternativwohnung frei war. Eine Wahrunterstellung, die es erlaubt hätte, auf die Vernehmung des benannten Zeugen zu verzichten, hätte also auch die Behauptung umfassen müssen, dass schon damals der Entschluss zur Gründung der Wohngemeinschaft gefallen war. Und genau das könnte einer Eigenbedarfskündigung entgegenstehen, da daraus ernstzunehmende Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches hergeleitet werden könnten.
Hinweis:
Räumungsverfahren wegen einer Eigenbedarfskündigung verlangen eine sorgfältige Vorbereitung durch die Parteivertreter (und natürlich auch durch das Gericht). Da die Eigenbedarfspersonen regelmäßig als Zeugen den Bedarf bestätigen werden, kommt es regelmäßig auf weitere Indizien an, um die Ernsthaftigkeit des Eigenbedarfswunsches herauszuarbeiten oder in Zweifel zu ziehen (dazu Fleindl NZM 2016, 289).