Schadensersatzverfahren wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs sind durchaus nicht selten. Überwiegend geht es um die Frage, ob der Eigenbedarf wirklich bestanden hat und erst nach erfolgter Räumung durch den Mieter entfallen ist. Der BGH (NZM 2017, 23 = WuM 2016, 743 = MDR 2017, 21 = MietPrax-AK § 573 BGB Nr. 61 m. Anm. Börstinghaus; Börstinghaus jurisPR-BGHZivilR 1/2017 Anm. 2; Schüller NZM 2017, 23) hat sich in einem solchen Verfahren jetzt sowohl mit der materiell-rechtlichen Frage, wann ein "Benötigen" i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegt, beschäftigt, wie auch mit der für die Praxis wichtigen Frage, wer wofür die Darlegungs- und Beweislast hat. Im konkreten Fall hatte der Vermieter einer langjährigen Mieterin einer Einzimmerwohnung gekündigt, da dort die kranke Mutter untergebracht werden sollte. Das Ganze wurde als sehr dringend dargestellt und zwar auch noch im Räumungsprozess. Die Mieterin zog aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs aus, die Mutter nie ein. Sie verstarb alsbald. Hier hatte der Senat bereits Zweifel, ob wirklich Eigenbedarf vorlag. Dieser liegt dann nicht vor, wenn die vom Vermieter benannte Eigenbedarfsperson gar nicht die Absicht hat, in die Wohnung einzuziehen. Hier hatte das Landgericht eine Behauptung der Mieterin teilweise für wahr unterstellt, was nach Ansicht des BGH gegen den Anspruch der Mieterin auf rechtliches Gehör verstoßen hatte. Ferner bestanden nach Ansicht des Senats auch Zweifel an einem anerkennenswerten Eigenbedarf. Der Eigenbedarf war im Kündigungsschreiben als "dringend" und in der Klageschrift des Räumungsprozesses als "akut" bezeichnet worden, die Wohnung sei hingegen ca. ein Jahr als Fahrradabstellplatz benutzt worden. Bereits dieser zeitliche Ablauf sprach nach Ansicht des VIII. Senats dafür, dass die Kündigung eine mögliche spätere Nutzung durch die Mutter allenfalls erst vorbereiten sollte, weil deren Nutzungswunsch noch völlig unbestimmt gewesen sei und erst noch "geweckt" werden musste. Das stelle aber noch keinen zur Kündigung berechtigenden Eigenbedarf dar. Eine sog. Vorratskündigung, der ein gegenwärtig noch nicht absehbarer Nutzungswunsch der Eigenbedarfsperson zugrunde liegt, sei nach dem Gesetzeswortlaut gerade nicht möglich. Vielmehr müsse sich der Nutzungswunsch soweit "verdichtet" haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung bestehe.
Praxishinweise:
Für die Praxis bedeutet dies:
- Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, so liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben gewesen ist.
- In diesem Fall muss der Vermieter substantiiert und plausibel im Sinne von "stimmig" darlegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. An diese Darlegungen sind sehr strenge Anforderungen zu stellen.
- Nur wenn dem Vermieter diese Darlegung gelingt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestand.