Vom 24. bis 26. Januar fand in Goslar der 56. Deutsche Verkehrsgerichtstag statt. Zahlreiche Experten aus den Bereichen Verkehrssicherheit, Justiz, Politik und Wissenschaft berieten über aktuelle Fragen zum Verkehrsrecht und formulierten anschließend ihre Empfehlungen an die Politik. Häufig finden die Empfehlungen der Verkehrsfachleute ihren Niederschlag in der Gesetzgebung. Höhere Strafen für Raser sowie Cannabis am Steuer waren zwei der bereits im Vorfeld der Veranstaltung stark diskutierten Themen. Daneben ging es auch um Zukunftsfelder wie das automatisierte Fahren. Die wichtigsten Beschlüsse des diesjährigen Verkehrsgerichtstags sind nachstehend zusammenfassend wiedergegeben.
- Privatinkasso nach Verkehrsverstößen im Ausland
Das private Inkasso nach Verkehrsverstößen im europäischen Ausland hat bei mehr als 450.000 Fällen in Deutschland im vergangenen Jahr inzwischen eine wesentliche Bedeutung bekommen. Für die betroffenen Touristen besonders belastend sind hohe Nebenkosten der Beitreibung sowie eine oft späte Geltendmachung, die die Verifizierung des Vorfalls erheblich erschwert. Der zuständige Arbeitskreis stellte hierzu fest, dass privates Inkasso bei öffentlich-rechtlichen Bußgeldern aus Straßenverkehrsverstößen, insbesondere im Anwendungsbereich des EU-Rahmenbeschlusses zu Geldsanktionen, ausgeschlossen sein müsse. Die Experten regen die Installierung eines Ombudsmanns an, an den sich die Autofahrer bei streitigen Forderungen wenden können. Zudem wird das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aufgefordert, ein Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene mit dem Ziel eines Verbrauchergerichtsstands zu initiieren. Zivilrechtliche Forderungen aufgrund von Verkehrsverstößen sollten nur an diesem Gerichtsstand durchgesetzt werden können.
- Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
Die Verkehrsexperten sind der Auffassung, dass die strafrechtlichen und versicherungsvertragsrechtlichen Regelungen zum unerlaubten Entfernen vom Unfallort oft zu gewichtigen Rechtsunsicherheiten führen. Sie empfehlen daher dem Gesetzgeber zu prüfen, wie eine bessere Verständlichkeit des § 142 StGB erreicht werden kann, insbesondere durch eine Begrenzung des Unfallbegriffs auf Fortbewegungsvorgänge und eine Präzisierung der Wartezeit bei Unfällen mit Sachschäden bei einer telefonischen Meldung, etwa bei einer einzurichtenden neutralen Meldestelle. Zudem wird der Gesetzgeber aufgefordert, die Möglichkeiten der Strafmilderung oder des Absehens von Strafe bei tätiger Reue in § 142 Abs. 4 StGB zu reformieren. Dabei sollte die Begrenzung auf Unfälle außerhalb des fließenden Verkehrs entfallen und die Regelung auf alle Sach- und Personenschäden erweitert werden. Auch sollte das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bei Sachschäden nicht mehr im Regelfall zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis führen.
- Sanktionen bei Verkehrsverstößen
Der zuständige Arbeitskreis lehnte eine pauschale Erhöhung der Bußgeldsätze, wie sie teilweise im Vorfeld der Veranstaltung gefordert wurde, ab. Er empfahl jedoch eine spürbare Anhebung der Geldbußen, verbunden mit verstärkter Androhung von Fahrverboten, für besonders verkehrssicherheitsrelevante Verfehlungen (namentlich Geschwindigkeits-, Abstands- oder Überholverstöße) unter Berücksichtigung des jeweiligen Gefährdungspotentials und der Verkehrssituation. Dies müsse einhergehen mit einer nachdrücklicheren und effektiveren Verkehrsüberwachung, gerade an Unfallhäufungs- und Gefährdungsstellen. Der Arbeitskreis forderte zudem eine für die Verkehrsteilnehmer nachvollziehbare Beschilderung sowie eine Stärkung verkehrspädagogischer und verkehrspsychologischer Maßnahmen.
- Cannabis-Konsum und Fahreignung
Die Verkehrsfachleute sind der Auffassung, dass die Fahrerlaubnis-Verordnung im Hinblick auf Arznei- und berauschende Mittel einer Überarbeitung durch den Verordnungsgeber bedarf. So sollten erstmalig im Straßenverkehr auffällig gewordene, gelegentliche Cannabiskonsumenten nicht ohne Weiteres als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen werden; vielmehr sollten sie Zweifel an ihrer Fahreignung mittels einer MPU ausräumen können. Auch sind die Experten der Meinung, dass nicht bereits ab 1 ng/ml THC im Blutserum fehlendes Trennungsvermögen unterstellt werden darf. Cannabis-Patienten, die ein Kraftfahrzeug führen wollen, sollten durch entsprechend qualifizierte Ärzte umfassend über ihre Beeinträchtigung der Fahreignung und Fahrsicherheit informiert und begleitet werden. Dies sei entsprechend zu dokumentieren; ein geeignetes Nachweisdokument solle per Gesetz eingeführt werden.
- Ansprüche Schwerstverletzter
Nach Auffassung der Verkehrsexperten gibt es Defizite in der Rehabilitation Schwerstverletzter (sog. Reha-Lücke), die nach dem Modell der gesetzlichen Unfallversicherung behoben werden sollten. Auch hätten die Haftpflichtversicherer im Rahmen der berechtigten Ansprüche des Geschädigten die Aufwendungen für vermehrte Bedürfnisse Schwerstverletzter, wie z.B. Pkw-Umrüstung, Schaffung behindertengerechten ...