Während das Budget für Arbeit also eine Alternative für den Arbeitsbereich der WfbM darstellt, schafft § 60 SGB IX n.F. Flexibilität sowohl für das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich (§ 57 SGB IX n.F.) als auch für den Arbeitsbereich (§ 58 SGB IX n.F.). Denn Menschen mit Behinderungen, die Anspruch auf Leistungen nach den §§ 57 und 58 SGB IX n.F. haben, können diese auch bei einem anderen Leistungsanbieter als der WfbM in Anspruch nehmen, ohne dass die Rehabilitationsträger aber eine Verpflichtung trifft, für entsprechende Angebote zu sorgen (§ 60 Abs. 3 SGB IX n.F.).
Hinweis:
Der Begriff "andere Leistungsanbieter" ist gesetzlich nicht definiert. Erfasst werden damit gemeinnützige Träger ebenso wie kirchliche oder kommunale, private Träger oder andere Institutionen. Ausgeschlossen ist nicht, dass auch Träger von Werkstätten für behinderte Menschen als "andere Leistungsanbieter" auftreten. Für den anderen Leistungsanbieter gelten, verglichen mit den WfbM, zahlreiche Ausnahmevorschriften, die im Wesentlichen darauf gegründet sind, kleinere Leistungsanbieter nicht aus dem potentiellen Kreis der "anderen Leistungsanbieter" auszuschließen (BT-Drucks 18/9522, S. 254). So besteht beispielsweise weder eine Aufnahmeverpflichtung (§ 60 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX n.F.), noch sind die anderen Leistungsanbieter verpflichtet, das gesamte Angebot der §§ 57, 58 SGB IX n.F. anzubieten (§ 60 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX). Angesichts dessen muss darauf geachtet werden, dass nicht lediglich verschleierte Arbeitsverhältnisse zu den für den Betroffenen ungünstigeren Bedingungen einer Werkstattbeschäftigung angeboten werden.
Anders als beim Budget für Arbeit wird durch eine Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter nämlich grundsätzlich kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründet; vielmehr besteht zwischen dem anderen Leistungsanbieter und dem Menschen mit Behinderung wie in der WfbM lediglich ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis (vgl. § 60 Abs. 4 SGB IX n.F. i.V.m. § 221 SGB IX n.F.). Auch sozialversicherungsrechtlich werden die behinderten Menschen, die bei anderen Leistungsanbietern beschäftigt sind, denjenigen in den Werkstätten gleichgestellt (vgl. z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 7 SGB V, § 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI, jeweils in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung), d.h. auch die günstige Absicherung in der Rentenversicherung wird insoweit gewährleistet. Für den behinderten Menschen bedeutet dies allerdings auch, dass er (nur) wie ein Werkstattbeschäftigter bezahlt wird (§ 221 Abs. 2 SGB IX n.F.).
Jedoch ist bei einer Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter die Regelung des § 221 Abs. 1 SGB IX n.F. besonders zu beachten, wonach (nur) dann, wenn der behinderte Mensch im Arbeitsbereich der WfbM kein Arbeitnehmer ist, ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis entsteht. Die Regelung entspricht in ihrem Wortlaut zwar § 138 SGB IX a.F.; doch erlangt sie angesichts der durch § 60 SGB IX n.F. geschaffenen Flexibilität des Orts der Beschäftigung besondere Bedeutung. So ist in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob durch die Eingliederung des behinderten Menschen in einen Beschäftigungsbetrieb im Einzelfall ein den allgemeinen Regelungen unterfallendes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet wird.
Da andere Leistungsanbieter zudem einer förmlichen Anerkennung nicht bedürfen, müssen aber auch z.B. Aufträge der öffentlichen Hand nicht bevorzugt diesen Betrieben angeboten werden (vgl. § 234 SGB IX, der dies nur für anerkannte Werkstätten und Inklusionsbetriebe vorschreibt); auch Dritte können durch Aufträge an andere Leistungsanbieter keine Vorteile dadurch erzielen, dass sie Teile des Gesamtrechnungsbetrags auf die Ausgleichsabgabe anrechnen können (§ 233 SGB IX n.F.).
Praxishinweis:
In der Datenbank REHADAT, einem Angebot des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, finden sich unter www.rehadat-adressen.de Angebote und Adressen von über 24.000 Dienstleistern, Organisationen und Beratungsstellen aus allen Bereichen der beruflichen Teilhabe und Rehabilitation, von Inklusionsbetrieben, spezialisierten Reha-Anbietern etc. Jedenfalls mit Stand Januar 2018 waren dieser Datenbank jedoch noch keine Angebote "anderer Leistungsanbieter" gemeldet worden.
Autor: Richterin am BSG Jutta Siefert, Kassel
ZAP F. 18, S. 195–208