Vom 23. bis zum 25. Januar fand der 57. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar statt. Auf dem Programm standen sowohl hochaktuelle Fragen wie drohende Dieselfahrverbote in Großstädten als auch zukunftsgerichtete Themen wie etwa das automatisierte Fahren. Die in Goslar gefassten Beschlüsse finden oft auch Eingang in die politische Debatte und Niederschlag in Gesetzgebungsvorhaben. Nachstehend sind die wichtigsten der diesjährigen Beschlüsse in Kürze wiedergegeben.
- Bilanz der Punktereform 2013
Nach Auffassung der Experten hat die Reform des Punktesystems im Jahr 2013 das System im Vergleich zu den vorherigen Regelungen einfacher, transparenter und leichter verständlich gemacht. Nachfragen und Rechtsmittel hätten abgenommen. Gleichwohl werden einige Verbesserungen vorgeschlagen.
Generell sollten zukünftig nur verkehrssicherheitsrelevante Zuwiderhandlungen mit Punkten belegt werden. Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort sowie allgemeine Straftaten, auch wenn für sie neuerdings ein Fahrverbot verhängt werden könne, sollten nicht mit Punkten bewertet werden.
An der Gewährung einer Punktereduzierung für den Besuch eines Fahreignungsseminars solle festgehalten werden, auch wenn sich eine Verhaltensverbesserung durch die Teilnahme derzeit noch nicht nachweisen lasse. Das Seminar vermittele Wissen und ziele darauf ab, die Grundeinstellung zur Verkehrssicherheit zu verbessern. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, das Fahreignungsseminar mit dem Ziel weiterzuentwickeln, dass bis zu zwei Punkte abgezogen werden können und bei einem Stand von sechs bis sieben Punkten der Abzug von einem Punkt oder eine Anordnung erfolgen könne.
Schließlich solle der Ablauf der Überliegefrist für registrierte Zuwiderhandlungen ein absolutes Verwertungsverbot nach sich ziehen.
- Automatisiertes Fahren (Strafrecht)
Die Teilnehmer plädierten dafür, die durch hoch- und vollautomatisiertes Fahren aufgeworfenen neuen strafrechtlichen Fragestellungen auf der Grundlage des bisherigen Strafrechts zu lösen. Es bedürfe hierfür keines neuen Sonderstrafrechts. Auch sei derzeit kein neues Unternehmensstrafrecht erforderlich. Die bereits geschaffene gesetzliche Regelung der Pflichtenstellung des Fahrzeugführers beim hoch- und vollautomatisierten Fahren (§ 1b StVG) sei trotz mancher Bedenken – z.B. hinsichtlich des Spannungsverhältnisses von Abwendungsbefugnis und Wahrnehmungsbereitschaft – bezüglich ihrer praktischen Handhabbarkeit, grundsätzlich ausreichend. Die weitere Klärung obliege der Judikatur und Rechtsdogmatik. Die Einführung des Fahrmodusspeichers durch § 63a StVG wird von den Experten begrüßt. Zur Aufklärung von Delikten sei aber darüber hinaus jedenfalls für hoch- und vollautomatisierte Fahrzeuge eine Unfall- und Ereignisdatenspeicherung vorzusehen. Inhalt und Umfang der für die Unfallrekonstruktion zu speichernden Daten seien zu vereinheitlichen, die zu einer Speicherung führenden Ereignisse und die Schnittstellen zu standardisieren. Die generierten Daten müssten jedenfalls auch im Fahrzeug gespeichert werden und aus ihm auslesbar sein.
- Verkehrsunfälle mit geleasten/finanzierten Fahrzeugen
Zu diesem Thema sah der zuständige Arbeitskreis in Goslar einen dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Denn die Fälle, in denen nach einem Kfz-Unfall Halter- und Eigentümerstellung auseinanderfallen, hätten nach der derzeitigen Rechtsprechung inzwischen höchste praktische Relevanz. Sie führten zu erheblichen wirtschaftlichen Risiken für den Leasing- oder Kreditnehmer. Insbesondere sei im Falle des Regresses eine Vollkaskodeckung nicht gewährleistet. Empfohlen wird daher, dass der Gesetzgeber für eine Gleichstellung von Halter und Eigentümer im Bereich der Haftung nach Verkehrsunfällen sorgen solle. Hierzu würde sich eine Ergänzung des § 17 Abs. 2 StVG anbieten, die z.B. wie folgt lauten könne: "Dies gilt auch für den Eigentümer eines Kraftfahrzeuges, der nicht Halter ist." Der Gesetzgeber solle darüber hinaus prüfen, ob es einer weitergehenden Regelung im Hinblick auf die deliktischen Ansprüche des Eigentümers bedürfe. Bis zu einer Gesetzesänderung sollten die Leasinggesellschaften und Banken ihre Vertragspartner über die Risiken eines möglichen Regresses aufklären.
- Abfindung von Personenschäden
Der zuständige Arbeitskreis war mit knapper Mehrheit der Auffassung, dass eine Änderung des § 843 Abs. 3 BGB dahingehend, ein Wahlrecht des Geschädigten zwischen Rente und Kapitalabfindung zu schaffen, nicht erforderlich ist, da er von einer funktionierenden Rechtspraxis ausgeht.
Bei einer vergleichsweisen oder gerichtlichen Kapitalisierung seien neben der Laufzeit (etwa Verbesserung der Mortalität, Rentenzugangsalter insbesondere bei Selbstständigen und jungen Geschädigten) auch künftige personenbezogene Veränderungen (etwa Gehaltssteigerung, beruflicher Auf- und Abstieg, Arbeitsplatz- und Insolvenzrisiko, Vorerkrankungen) und wirtschaftliche Umstände (etwa Verwaltungskosten des Kapitals, Kapitalertragssteuer, gesamtwirtschaftliche Entwicklung) zu berücksichtigen....