– Berechnung von Auslagen; Ablehnung eines Sachverständigen; Schriftlicher Vergleich im sozialgerichtlichen Verfahren; Erstattungsfähigkeit von Privatgutachten im Zivilprozess; Vorschussanforderung des Gerichtsvollziehers
I. Berechnung von Auslagen: Geschäftsreise
Wann für den Rechtsanwalt eine Geschäftsreise vorliegt, die ihn dazu berechtigt, die in Nr. 7003–7006 VV RVG aufgeführten Auslagen zu berechnen, ist in der Praxis manchmal gar nicht so einfach zu beantworten. Deshalb sollen hier die damit zusammenhängenden Probleme anhand eines aktuellen Falls aus der Praxis und weiterer Beispiele erörtert werden.
1. Gesetzliche Regelung
Nach der Legaldefinition in Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG liegt eine Geschäftsreise vor, wenn das Reiseziel des Rechtsanwalts außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Anwalts befindet. Dabei ist auf den Ort der tatsächlichen Abreise abzustellen (s. OLG Düsseldorf RVGreport 2012, 189 [Hansens] = zfs 2012, 287 m. Anm. Hansens = AGS 2012, 167).
2. Fall des OLG Düsseldorf
Dem 2. Strafsenat des OLG Düsseldorf (RVGreport 2019, 19 [Hansens]) lag vor Kurzem folgender Sachverhalt zur Entscheidung vor: Das LG Duisburg hatte den wohl in Düsseldorf wohnhaften und kanzleiansässigen Rechtsanwalt dem Nebenkläger gem. § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO als Beistand bestellt. Bei diesem Strafverfahren handelt es sich um das sog. Loveparade-Verfahren, das im Congress Center Düsseldorf Ost der Messe Düsseldorf verhandelt wird.
Der bestellte Rechtsanwalt hatte gegen die Landeskasse einen Vorschuss auf seine Vergütung geltend gemacht, der auch Parkgebühren enthielt. Diesen Vorschuss hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) antragsgemäß bewilligt und den festgesetzten Vorschussbetrag auszahlen lassen. In seinem weiteren Vorschussantrag hat der Rechtsanwalt weitere Gebühren und Auslagen geltend gemacht, darunter erneut Parkgebühren einschließlich 19 % Umsatzsteuer i.H.v. insgesamt 262,80 EUR. Die UdG hat diesmal in ihrem Beschluss vom 27.6.2018 die Parkgebühren abgesetzt und von dem verbliebenen Vorschussbetrag die in dem vorangegangenen Festsetzungsbeschluss berücksichtigten Parkgebühren abgezogen. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Anwalts hat das LG Duisburg zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Rechtsanwalts hatte beim OLG Düsseldorf keinen Erfolg. Für das OLG Düsseldorf (a.a.O.) kam es auf folgende Tatbestandsvoraussetzungen an:
3. Parkgebühren als Geschäftsreiseauslagen
Parkgebühren sind in den die Geschäftsreiseauslagen regelnden Nr. 7003 bis 7006 VV RVG nicht ausdrücklich aufgeführt. Sie gehören jedoch zu den von Nr. 7006 VV RVG erfassten sonstigen Auslagen anlässlich einer Geschäftsreise (LG Halle/Saale AGS 2009, 60; OLG Düsseldorf a.a.O.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., Nr. 7003–7006 VV RVG Rn 37).
Praxishinweis:
Dies gilt im Übrigen ebenso für Übernachtungskosten, die zwar früher ausdrücklich in § 28 Abs. 2 S. 2 BRAGO, nicht jedoch jetzt in Nr. 7006 VV RVG, erwähnt werden.
4. Abreise des Rechtsanwalts
Das OLG Düsseldorf ist davon ausgegangen, dass der dem Nebenkläger beigeordnete Beistand zu dem Gerichtstermin im Congress Center Düsseldorf Ost von seiner ebenfalls in Düsseldorf gelegenen Kanzlei abgefahren ist. In diesem Fall liegt dann das Reiseziel innerhalb derselben Gemeinde, in der sich die Kanzlei des Anwalts befindet. Geht man davon aus, so hat der Rechtsanwalt keine Geschäftsreise i.S.d. Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG unternommen, so dass er auch keine Auslagen nach Nr. 7003 bis 7006 VV RVG berechnen kann. Sowohl die hier einmal unterstellte Anreise mit dem eigenen Pkw als auch die Parkgebühren sind dann als allgemeine Geschäftskosten nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG mit den Gebühren des Rechtsanwalts abgegolten.
Anders wäre die Rechtslage, wenn der gerichtlich bestellte Anwalt von seiner Wohnung aus zu den Verhandlungsterminen in das Congress Center angereist wäre und diese Wohnung außerhalb der Stadt Düsseldorf gelegen wäre. Im entschiedenen Fall hatte das OLG Düsseldorf nicht ausdrücklich festgestellt, wo die Wohnung des Anwalts gelegen war. Das OLG ist mangels gegenteiligen Vorbringens des Anwalts lediglich davon ausgegangen, dass dieser auch in Düsseldorf wohnt. Da es für den Anspruch auf die Parkgebühren entscheidend auch auf den Wohnsitz des Anwalts angekommen ist, hätte das OLG diesem wohl entsprechend § 139 ZPO einen entsprechenden rechtlichen Hinweis geben und ausdrücklich nachfragen müssen, von wo aus der Anwalt tatsächlich zu den Verhandlungsterminen angereist ist.
5. Parkgebühren keine Aufwendungen nach §§ 675, 670 BGB
Im Fall des OLG Düsseldorf hatte der Anwalt seinen Anspruch auf Erstattung der Parkgebühren (auch) auf § 675 BGB i.V.m. § 670 BGB gestützt. Nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG kann der Rechtsanwalt nämlich nach diesen Vorschriften Ersatz der entstandenen Aufwendungen verlangen, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. Das OLG Düsseldorf hat darauf hingewiesen, dass die in den Nr. 7003–7006 VV RVG angeführten Tatbestände die von ihnen erfassten Auslagen abschließend regele (s. auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Vorbem. 7 VV RVG Rn 15). Dies hat zur Folge, dass die geltend gemachten Parkgebühren von der Regelung in Nr. 7006 ...