Gerichtliche Unterhaltstitel regeln ein Dauerschuldverhältnis für die Zukunft und erwachsen im Hauptsacheverfahren in Rechtskraft. § 238 FamFG ermöglicht die Abänderung gerichtlicher Unterhaltstitel aus dem Hauptsacheverfahren unter Durchbrechung der Rechtskraft vorangegangener Unterhaltsentscheidungen. Voraussetzung ist eine wesentliche und nachträgliche Änderung der Rechtslage (hierzu gehört auch eine Änderung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH) oder der Tatsachen, die der damaligen Entscheidung zugrunde lagen.
Hinweis:
Eine einstweilige Anordnung kann nicht nach § 238 FamFG abgeändert werden.
Der Abänderungsantrag ist nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf die er gestützt wird, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der eine Antragserweiterung oder die Geltendmachung von Einwendungen spätestens hätte erfolgen müssen, entstanden sind.
Nach § 242 FamFG i.V.m. § 769 ZPO kann das Gericht auf Antrag die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung anordnen.
Rechtsfolge eines erfolgreichen Abänderungsverfahrens ist keine völlig freie Neufestsetzung, sondern eine „entsprechende” Anpassung der Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen (§ 238 Abs. 4 FamFG).
a) Änderung der tatsächlichen Verhältnisse
Die in der Praxis wichtigsten Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse sind z.B.
- unterhaltsrechtlich relevante Einkommensveränderungen, die sich auf Leistungsfähigkeit oder Bedarf auswirken,
- Veränderung der Erwerbsobliegenheiten eines Beteiligten,
- Erhöhung des Unterhaltsbedarfs durch Wechsel in eine andere Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle sowie Änderung der Tabellenbeträge (i.d.R. jeweils zum Jahreswechsel),
- Hinzutreten weiterer Unterhaltsberechtigter durch Wiederheirat des Unterhaltsschuldners oder nacheheliche Geburt eines Kindes,
- Verlust des Arbeitsplatzes und Arbeitslosigkeit trotz Erwerbsbemühungen,
- Erbringen von Versorgungsleistungen zugunsten eines neuen Lebenspartners,
- eigene Einkünfte des Kindes z.B. in Form des Bezugs von BAföG-Leistungen,
- Wegfall von eheprägenden Verbindlichkeiten oder Unterhaltsverpflichtungen.
Nach § 238 Abs. 1 S. 2 FamFG ist weitere Voraussetzung einer Abänderung die wesentliche Veränderung der der vorausgegangenen Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse. Nach verbreiteter Ansicht liegt eine Wesentlichkeit erst bei einer Änderung der Zahlbeträge um 10 % vor. Dies stellt jedoch lediglich einen Richtwert dar. Bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen kann eine Wesentlichkeit bereits deutlich unterhalb dieser Schwelle von 10 % angenommen werden (BGH, Urt. v. 29.1.1992 – XII ZR 239/90, NJW 1992, 1621). Eine Änderung der Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle deutet in aller Regel darauf hin, dass die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Veränderungen wesentlich sind (OLG Hamm, Beschl. v. 29.4.2011 – II-6 WF 128/11, FamRZ 2012, 53).
b) Präklusion
Ein Abänderungsantrag kann nur auf geänderte Tatsachen gestützt werden. Ausgeschlossen sind daher solche Umstände, die bereits der damaligen Entscheidung zugrunde gelegen haben oder die seinerzeit vorhanden waren, aber nicht in die Entscheidung eingeflossen sind (Tatsachenpräklusion). Dies ist einmal der Fall, wenn eine für die Unterhaltsbemessung relevante Tatsache vom damaligen Gericht übersehen worden ist (dann wäre ein Rechtsmittel erforderlich gewesen) oder vom Beteiligten gar nicht im Verfahren vorgetragen worden ist.
Da gerichtliche Unterhaltsentscheidungen ein Dauerschuldverhältnis regeln und auf diese Weise in die Zukunft wirken, liegt ihnen auch immer eine Prognoseentscheidung zugrunde, nämlich die Überlegung, dass die Verhältnisse in der Zukunft gleich bleiben. Auf der Grundlage der in diesem Verfahren vorgetragenen Tatsachen versucht das Gericht, die Entwicklung des Unterhalts vorherzusehen.
Der BGH hat in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht, dass das Gericht bereits im Erstverfahren entscheiden muss, soweit eine Entscheidung aufgrund der gegebenen Sachlage und der zuverlässig voraussehbaren Umstände möglich ist (BGH, Beschl. v. 4.7.2018 – XII ZB 122/17, FamRZ 2018, 1421; BGH Beschl. v. 15.7.2015 – XII ZB 369/14, FamRZ 2015, 1694; BGH, Urt. v. 12.1.2011 – XII ZR 83/08, FamRZ 2011, 454). Zumindest aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht sollte daher in Unterhaltsverfahren davon ausgegangen werden, dass sicher bzw. zuverlässig vorhersehbare Änderungen bereits im Erstverfahren vorzutragen sind, um einem späteren Präklusionseinwand vorzubeugen.
Zukünftige Umstände sind jedenfalls dann zuverlässig vorhersehbar, wenn zwei Faktoren eindeutig festgelegt werden können:
- der Zeitpunkt des Eintritts dieser Veränderung (Faktor „Zeit”) und
- die finanziellen Auswirkungen dieser Veränderung auf die Unterhaltsbemessung (Faktor „Geld”).
c) Zeitgrenze
Die Abänderung ist nach § 238 Abs. 3 S. 1 FamFG möglich ab Rechtshängigkeit – also förmlicher Zustellung – des Antrags. Jedoch sind unter besonderen Umständen auch rückwirkende Änderungen des Titels möglich.
Ein Antrag auf Erhöhung des Unterhalts ist nach § 238 Abs. 3 S. 2 FamFG für die Zeit zulässig, ...