Mit Einfügung des § 12c RVG muss jede anfechtbare Entscheidung eine Belehrung über den statthaften Rechtsbehelf sowie über das Gericht, bei dem dieser Rechtsbehelf einzulegen ist, über dessen Sitz und über die einzuhaltende Form und Frist enthalten. Dies betrifft auch die Rechtsbehelfe im Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung. Welche Folgen eine unterbliebene oder auch nur fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung hat, regelt § 56 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 5 S. 2 RVG. Danach wird bei einem befristeten Rechtsbehelf ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn die gebotene Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. In diesen Fällen hat der Rechtsanwalt dann gem. § 56 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 5 S. 1 RVG einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen und die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen, hier also die unterbliebene oder fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung, vorzutragen und glaubhaft zu machen. Letzteres ist in der Praxis meist entbehrlich, da das Fehlen oder die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung sich aus den Gerichtsakten ergeben müsste.
Der Eindruck, dass bei einer völlig fehlenden oder unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung gewissermaßen automatisch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden muss, täuscht jedoch: Die Rechtsprechung versagt nämlich im Regelfall einem anwaltlich vertretenen Beteiligten und erst recht einem in eigener Sache selbst auftretenden Rechtsanwalt die Rechtswohltat des § 33 Abs. 5 S. 2 RVG bzw. der entsprechenden Regelungen in anderen Verfahrensvorschriften. Der BGH (s. AnwBl 2012, 927 = NJW-RR 2012, 1025; NJW 2013, 1308; NJW 2017, 113 mit Anm. Heinemann) begründet dies damit, von einem Anwalt müsse erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kenne. Deshalb könne er das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht uneingeschränkt in Anspruch nehmen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nach der Rechtsprechung des BGH bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten deshalb nur dann in Betracht, wenn die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung bei einem Rechtsanwalt einen entschuldbaren Rechtsirrtum über das statthafte Rechtsmittel hervorgerufen hat.
Für das Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung liegen die Obergerichte auf derselben Linie. So hat beispielsweise das LSG NRW (RVGreport 2017, 454 [Hansens]) die Auffassung vertreten, die Vermutung des § 33 Abs. 5 S. 2 RVG sei jedenfalls dann widerlegt, wenn es sich bei dem die Frist versäumenden Beschwerdeführer um einen Rechtsanwalt handele, der in Kostenangelegenheiten äußerst versiert sei und als Beschwerdeführer eine Vielzahl von Beschwerden im Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung betrieben habe. Da im Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung fast regelmäßig derart sachkundige Beschwerdeführer – sei es der Rechtsanwalt oder der Vertreter der Staatskasse – tätig sind, kommt die Regelung in § 33 Abs. 3 S. 2 RVG praktisch nie zur Anwendung. Allenfalls ein Neuling, der sein erstes Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung nebst Rechtsbehelfsverfahren betreibt, könnte sich dann einmalig auf eine unrichtige oder fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung berufen, wenn er die Beschwerdefrist versäumt. Einen entsprechenden Wiedereinsetzungsantrag muss er jedoch gem. § 56 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 5 S. 1 RVG gleichwohl stellen.
Diese einschränkende Auffassung halte ich nicht für zutreffend. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass im Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung die Beteiligten, nämlich der den Festsetzungsantrag stellende Rechtsanwalt einerseits und der Vertreter der Staatskasse andererseits, die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem des § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 bis 8 RVG kennen müssen. Gleichwohl hat er durch die Verweisung auf § 33 Abs. 5 S. 2 RVG die Regelung getroffen, dass bei einer fehlenden oder unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung ein Fehlen des Verschuldens an der Fristversäumung vermutet wird. Folgt man der Rechtsprechung, so könnte sich nur ein Anfänger in seinem Wiedereinsetzungsantrag auf ein Fehlen des Verschuldens aufgrund einer unrichtigen oder völlig fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung berufen. Für eine derartige Einschränkung ergeben sich im Gesetz jedoch keine Anhaltspunkte.
Gebührentipp:
Gleichwohl muss sich der Rechtsanwalt bei seiner Verfahrensweise darauf einstellen, dass allein eine unterbliebene oder fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde oder der weiteren Beschwerde darstellt. Deshalb sollte der Anwalt sein Büropersonal anweisen, in Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung die gerichtlichen Rechtsbehelfsbelehrungen, wenn sie der gerichtlichen Entscheidung überhaupt beigefügt worden sind, unberücksichtigt zu lassen und den r...