Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH umfasst der dem Geschädigten gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zustehende Schadensersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall grds. auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten (BGH RVGreport 2017, 424 [Hansens] = zfs 2017, 646 mit Anm. Hansens = AGS 2017, 365; BGH RVGreport 2006, 236 [Ders.] = zfs 2006, 448 = AGS 2006, 256; BGH NJW 2005, 1112; BGH RVGreport 2015, 384 [Ders.] = zfs 2015, 585 mit Anm. Hansens = AGS 2015, 514; BGH RVGreport 2020, 65 [Ders.]). Dabei hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur diejenigen, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BGH nach dem Grundsatz der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen (BGH RVGreport 2012, 305 [Hansens] = AGS 2012, 595; BGH RVGreport 2020, 65 [Ders.]).
An die Voraussetzungen des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Vielmehr kommt es darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt. Die sich hieraus ergebenden Auswirkungen hat der BGH in seinem Urt. v. 29.10.2019 (RVGreport 2020, 65 [Ders.]) zusammengefasst.
a) Einfach gelagerte Fälle
In einfach gelagerten Fällen kann der Geschädigte nach Auffassung des BGH den Schaden grds. selbst geltend machen. In einem solchen Fall sei die sofortige Einschaltung eines Rechtsanwalts nur unter besonderen Voraussetzungen als erforderlich anzusehen. Dies kann gegeben sein, wenn der Geschädigte aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder aus sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (BGH RVGreport 2007, 470 [Hansens] = AnwBl 2007, 547; BGH RVGreport 2015, 384 [Ders.] = zfs 2015, 585 mit Anm. Hansens = AGS 2015, 541). Ein einfacher Fall kann nach Auffassung des BGH dann vorliegen, wenn die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derartig klar ist, dass aus Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen kann. In diesen Fällen sei die Hinzuziehung eines Anwalts schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger oder dessen Versicherer nicht notwendig (BGH RVGreport 2007, 470 [Hansens] = AnwBl 2007, 547).
b) Geschäftsgewandtheit des Geschädigten
In Anwendung dieser Grundsätze kann sich nach Auffassung des BGH (a.a.O.) eine etwaige Geschäftsgewandtheit des Geschädigten, insb. dessen Sach- und Fachkenntnisse im Zusammenhang mit der Abwicklung vergleichbarer Schadensfälle, nur in zweifacher Hinsicht auswirken:
- Erstens bei der Beurteilung, ob aus Sicht des entsprechend qualifizierten Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde.
- Zweitens habe der Geschädigte – so der BGH (a.a.O.) – sein Wissen bei der erstmaligen Geltendmachung des Schadens einzusetzen, wenn es sich nach den vorgenannten Kriterien um einen derart einfachen, aus seiner Sicht zweifelsfreien Fall handele. In diesem Fall dürfe also der Geschädigte die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zunächst nicht für erforderlich halten.
c) Kein einfach gelagerter Fall
Handelt es sich hingegen nicht um einen einfach gelagerten Fall, ist der Geschädigte, gleich ob Privatperson, Behörde oder Unternehmen, ungeachtet etwaiger Erfahrungen und Fachkenntnisse nicht verpflichtet, von der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bei der Schadensabwicklung Abstand zu nehmen (BGH BGHZ 127, 348, 352 = zfs 1995, 48 und 61 = AGS 1995, 30). Dies hat zur Folge, dass auch einem mit Schadensabwicklungen vertrauten Unternehmen nicht verwehrt werden kann, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, sofern nicht zweifelsfrei ist, dass und inwieweit der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners den Schaden regulieren werde. In dem vom BGH (a.a.O.) in seinem Urt. v. 29.10.2019 entschiedenen Fall hat es sich um ein international tätiges Autovermietungsunternehmen gehandelt.
d) Verkehrsunfall mit Beteiligung zweier Fahrzeuge
Die schadensrechtliche Abwicklung eines Verkehrsunfalls, an dem zwei Fahrzeuge beteiligt waren, stellt jedenfalls im Hinblick auf die Schadenshöhe regelmäßig keinen einfach gelagerten Fall dar. Dies hat der BGH (a.a.O.) damit begründet, bei einem Fahrzeugschaden werde die rechtliche Beurteilung nahezu jeder Schadensposition in Rechtsprechung und Literatur seit Jahren intensiv und kontrovers diskutiert. Hierzu gebe es umfangreiche, vielschichtige und teilweise uneinheitliche Rechtsprechung, die laufend fortentwickelt werde. Dementsprechend werde zwischen den Geschädigten und den in der Regel hochspezialisierten Rechtsabteilungen der Haftpflichtversicherer nicht selten um einzelne Beträge bis in die letzte Gerichtsinstanz ges...