I. Rechtsbehelfe im Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung
Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) bzw. Verfahrenskostenhilfe (VKH) beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung in Verfahren vor Gerichten des Bundes aus der Bundeskasse, in Verfahren vor Gerichten eines Landes aus der Landeskasse. Dabei bestimmt sich der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse gem. § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen, durch die die PKH/VKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Die danach aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts wird auf dessen Antrag gem. § 55 Abs. 1 S. 1 RVG von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt.
1. Rechtsbehelfe
Welche Rechtsbehelfe im Verfahren auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung gegeben sind, regelt das RVG abschließend und vorrangig vor den Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnungen (s. § 1 Abs. 3 RVG). Gegen die Festsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und auch – was das Gesetz nicht ausdrücklich regelt – gegen die Zurückweisung des Festsetzungsantrags ist gem. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG die Erinnerung gegeben. Erinnerungsbefugt können sowohl der Rechtsanwalt sein, um dessen Vergütung es geht, als auch die Staatskasse. Für das Verfahren über die Erinnerung verweist § 56 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 RVG auf die das Verfahren auf Festsetzung des Gegenstandswerts betreffenden Regelungen des § 33 Abs. 4 S. 1 und Abs. 7 und 8 RVG.
Gegen die auf die Erinnerung ergangene Entscheidung des Gerichts ist die Beschwerde gegeben. Für das Verfahren über die Beschwerde verweist § 56 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 RVG auf die Regelungen in § 33 Abs. 3 bis 8 RVG. Hieraus ergeben sich folgende praktische Auswirkungen.
a) Erinnerung
Die Erinnerung gegen die Festsetzung der PKH- oder VKH-Anwaltsvergütung nach § 55 RVG ist nach der allgemeinen Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur unbefristet, weil § 56 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 RVG nicht auch auf die die Befristung regelnde Vorschrift des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG verweist (s. OLG Brandenburg RVGreport 2010, 218 [Hansens] = AGS 2011, 280; OLG Frankfurt RVGreport 2007, 100 [Ders.]; OLG Düsseldorf RVGreport 2016, 218 [Ders.]; LSG Sachsen-Anhalt RVGreport 2018, 15 [Ders.]; Mayer/Kroiß/Pukall, RVG, 6. Aufl., § 56 Rn 10; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., § 56 RVG Rn 8). Anderer Auffassung ist lediglich das OLG Koblenz (RVGreport 2006, 60 [Hansens]).
b) Beschwerde
Demgegenüber verweist § 56 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 RVG für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung auf die entsprechende Anwendung von § 33 Abs. 3 bis 8 RVG. Dies schließt die in § 33 Abs. 3 S. 3 RVG geregelte Befristung der Beschwerde ein.
c) Weitere Beschwerde
Ebenfalls befristet ist die – zulassungsbedürftige – weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des LG als Beschwerdegericht. Hier gilt ebenfalls die Verweisung in § 56 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 RVG, sodass für die weitere Beschwerde § 33 Abs. 6 S. 4 i.V.m. Abs. 3 S. 3 RVG anwendbar ist.
d) Zusammenfassung
Somit gilt für die Rechtsbehelfe in Verfahren auf Festsetzung der PKH- oder VKH-Anwaltsvergütung Folgendes:
- Die Erinnerung ist unbefristet.
- Für die Beschwerde gilt eine Beschwerdefrist von zwei Wochen.
- Die weitere Beschwerde ist ebenfalls binnen der Beschwerdefrist von zwei Wochen einzulegen.
2. Verwirkung des Erinnerungsrechts
Ob das Erinnerungsrecht verwirken kann, ist in der Rechtsprechung umstritten.
a) Erinnerung der Staatskasse
Teilweise wird die Auffassung vertreten, das Erinnerungsrecht der Staatskasse verwirke entsprechend § 20 GKG, § 19 Abs. 1 FamGKG (s. etwa OLG Brandenburg RVGreport 2010, 218 [Hansens] = AGS 2011, 280; KG RVGreport 2004, 314 [Ders.]; OLG Zweibrücken RVGreport 2006, 423 [Ders.]; OLG Jena Rpfleger 2006, 434; LSG Sachsen-Anhalt RVGreport 2018, 15 [Ders.]; SG Berlin RVGreport 2011, 381 [Ders.]; offen: OLG Celle RVGreport 2015, 248 [Ders.] für die Rückforderung des Vorschusses vom PKH-Anwalt); a.A. OLG Düsseldorf RVGreport 2016, 218 [Ders.]).
Eine Verwirkung des Erinnerungsrechts der Staatskasse soll aber dann nicht eintreten, wenn der Rechtsanwalt vorsätzlich oder grob fahrlässig einen unberechtigten Festsetzungsantrag gestellt hat und die Festsetzung auf diesen falschen Angaben des Anwalts beruht (Bay. LSG AGS 2012, 584; OLG Rostock JurBüro 2012, 197). Schließlich kommt eine Verwirkung des Erinnerungsrechts der Staatskasse dann nicht in Betracht, wenn der Rechtsanwalt seinerseits Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung eingelegt hat und sich die Staatskasse der Erinnerung angeschlossen hat.
Einigkeit besteht bei den Gerichten, die grds. von einer Verwirkung des Erinnerungsrechts ausgehen, darüber, dass neben dem sog. Zeitmoment auch das Umstandsmoment vorliegen muss. Das Zeitmoment ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn zwischen dem Erlass der angefochtenen Entscheidung und der Einlegung ein Zeitraum von nur 13 Monaten (so das Thür. LSG RVGreport 2020, Heft 3) oder 15 Monaten (so das LSG Sachsen-Anhalt RVGreport 2018, 15 [Hansens]) liegt.
b) Erinnerung des Rechtsanwalts
Demgegenüber besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Erinnerungsrecht des Rechtsanwalts nicht verwirkt (OLG Zweibrü...