a) Allgemeines
In § 397b StPO ist jetzt ausdrücklich die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung vorgesehen. Das soll u.a. der Verfahrensvereinfachung dienen (s. auch BT-Drucks 19/14747, S. 38). Die Neuregelung knüpft an die bisherige Rechtsprechung an, die das Verbot der Mehrfachverteidigung gem. § 146 StPO nicht auch als ein Verbot der Mehrfachvertretung angesehen hat (wegen der Einzelh. Burhoff, EV, Rn 4576 ff., 4583 m.w.N.).
b) "Bündelungsvoraussetzungen" (§ 397b Abs. 1 StPO)
Die gemeinschaftliche Nebenklagevertretung setzt nach § 397b Abs. 1 S. 1 StPO voraus, dass die Nebenkläger gleichgelagerte Interessen verfolgen. Gleichgelagerte Interessen werden nach § 397b Abs. 1 S. 2 StPO i.d.R. bei Nebenklägern anzunehmen sein, die nahe Angehörige desselben Getöteten (§ 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO) sind. Dies wird insb. in den Fällen in Betracht kommen, in denen sich mehrere minderjährige Kinder eines Getöteten als Nebenkläger anschließen. Gleichgelagerte Interessen i.S.d. Neuregelung setzen keine Interessensgleichheit oder vollständige Einigkeit der Nebenkläger voraus.
Hinweis:
Es handelt sich insoweit aber nur um ein nicht abschließendes Regelbeispiel. Gleichgelagerte Interessen sind auch außerhalb von Tötungsdelikten und unabhängig von Verwandtschaftsbeziehungen denkbar, etwa bei Großschadensereignissen oder Umweltdelikten. Die Kriterien für das Vorliegen gleichgelagerter Interessen sind anhand der jeweiligen Umstände zu ermitteln.
§ 397b Abs. 1 S. 1 StPO ist als Kann-/Ermessens-Vorschrift ausgestaltet. Das Gericht hat auf der Rechtsfolgenseite sowohl ein Entschließungs- als auch ein Auswahlermessen. Insoweit gilt:
Hinsichtlich des Entschließungsermessens, also der Frage, ob die Mehrfachvertretung überhaupt in Betracht zu ziehen ist, kann/muss das Gericht neben der Interessenlage der Nebenkläger weitere Gesichtspunkte berücksichtigen, wie die Wahrung der Rechte des Angeklagten, den Resozialisierungsgedanken oder die voraussichtliche Dauer und Komplexität des Verfahrens. Das Entschließungsermessen umfasst auch die Frage, ob die Nebenkläger ggf. in Gruppen einzuteilen sind, und die Einteilung der Gruppen von Nebenklägern (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747, S. 39 f.). Es wird sich insoweit an den gleichgelagerten Interessen der Nebenkläger orientieren.
Auch das sog. Auswahlermessen hinsichtlich des Nebenklagevertreters liegt beim Gericht. Es hat die Auswahl des anwaltlichen Vertreters nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Sachliche Auswahlkriterien können z.B. sein: der Wille der (Mehrheit der) Nebenkläger, der Zeitpunkt des Bestellungs- und Beiordnungsantrags (Prioritätsprinzip), die Ortsnähe des Kanzleisitzes des potenziellen Nebenklagevertreters zum Gerichtsort oder etwaige Verhinderungen infolge von Terminkollision des vorgeschlagenen Nebenklagevertreters.
c) Verfahren der Bestellung/Beiordnung (§ 397b Abs. 1 und 2 StPO)
Über die Bestellung/Beiordnung eines gemeinschaftlichen Nebenklagevertreters entscheidet gem. § 396 Abs. 1 S. 1 StPO das Gericht, nicht etwa der Vorsitzende allein.
Bevor das Gericht über die Bestellung oder Beiordnung eines gemeinschaftlichen Nebenklagevertreters entscheidet, soll es den betroffenen Nebenklägern nach § 397b Abs. 2 S. 1 StPO Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen, um den Nebenklägern so rechtliches Gehör zu verschaffen. Die Staatsanwaltschaft ist nach allgemeinen Grundsätzen gem. § 33 Abs. 2 StPO zu hören.
Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. Wird ein gemeinschaftlicher Nebenklagevertreter bestellt/beigeordnet, muss das Gericht diesen benennen. Der Beschluss muss im Hinblick darauf, dass das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben ist, begründet werden. Dabei muss zu erkennen sein, dass das Gericht sein Entschließungs- und Auswahlermessen ausgeübt hat.
Im Fall der Bestellung oder Beiordnung eines gemeinschaftlichen Rechtsanwalts müssen ggf. bereits erfolgte Einzelbestellungen oder -beiordnungen aufgehoben werden (§ 397b Abs. 2 S. 2 StPO). Dadurch soll verhindert werden, dass derselbe Nebenklagevertreter zugleich als Mehrfach- und Einzelvertreter bestellt oder beigeordnet ist bzw. neben dem bestellten oder beigeordneten gemeinschaftlichen Nebenklagevertreter doppelte Einzelbestellungen oder -beiordnungen zulasten der Staatskasse bestehen bleiben. Das Gericht muss zudem gem. § 397b Abs. 3 StPO feststellen, ob für einen nicht als Beistand bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt die Voraussetzungen der Bestellung oder Beiordnung vorgelegen haben. Diese Feststellung hat für diesen Rechtsanwalt vergütungsrechtliche Folgen.
d) Umfang/Wirkung der Bestellung/Beiordnung
Die gemeinschaftliche Nebenklagevertretung erstreckt sich bei der Bestellung eines Beistands (§ 397a Abs. 1 StPO) auf das gesamte Verfahren, während sie im Fall der bewilligten PKH (§ 397 Abs. 2 StPO) auf den jeweiligen Rechtszug beschränkt ist.
Durch die Bestellung/Beiordnung eines gemeinschaftlichen Nebenklagevertreters werden die den einzelnen Nebenklägern eingeräumten Verfahrensrechte gem. § 397 StPO nicht berührt. Den einzelnen Nebenklägern verbleiben also auch bei der gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung insb. ihre Anwesenheits- und Fragerechte.
e) Aufhebung der Bestellung/Beiordnung und Rechtsmittel
Liegen die Voraussetzungen der geme...