Mit dem neu geschaffenen § 143a StPO hat der Reformgesetzgeber erstmals einzelne Fallkonstellationen, in denen der bisherige Pflichtverteidiger zu entpflichten und ein neuer Verteidiger beizuordnen ist, geregelt.
a) Kurze Frist
Nach § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StPO ist der bisherige Verteidiger zu entbinden und ein neuer Verteidiger zu bestellen, wenn dem Beschuldigten ein anderer als der von ihm innerhalb der Benennungsfrist bezeichnete Verteidiger beigeordnet wurde oder ihm zur Auswahl des Verteidigers nur eine kurze Frist gesetzt wurde.
Hinweis:
Ein Austausch des Pflichtverteidigers nach dieser Vorschrift setzt einen entsprechenden Antrag des Beschuldigten voraus. Dieser ist fristgebunden und muss spätestens drei Wochen nach Bekanntmachung der’gerichtlichen Entscheidung über die Bestellung gestellt werden. Allerdings wird die Frist nicht in Lauf gesetzt, wenn der Beschuldigte über sein Benennungsrecht nicht belehrt wird (LG Mainz, Beschl. v. 5.11.2020 – 3 Qs 62/20). Die sofortige Beschwerde ist in diesem Fall ausgeschlossen, § 142 Abs. 7 S. 2.
b) Zerstörtes Vertrauensverhältnis
Die Rücknahme der Bestellung kommt ferner nach § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO in Betracht, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigten endgültig zerstört ist (wofür der Umstand, dass der Pflichtverteidiger in einem früheren Verfahren einen in der Anklage benannten Zeugen verteidigt hat, nicht zwingend genügt, BGH, Beschl. v. 26.2.2020 – StB 4/20) oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist. Insoweit kann auf die bisherige Rechtsprechung zum Vorliegen eines wichtigen Grundes zu § 143 StPO a.F. zurückgegriffen werden (OLG Hamm, Beschl. v. 31.3.2020 – 4 Ws 59/20). Hiernach ist eine angemessene Verteidigung dann nicht gewährleistet, wenn Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, nämlich dem Angeklagten einen geeigneten Beistand zu sichern und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden. Dies kann etwa bei einer längerfristigen Erkrankung des Verteidigers der Fall sein.
Hinweis:
Eine Erleichterung der „Auswechslungsvoraussetzungen” ist mit der gesetzlichen Neuregelung nicht verbunden. Der bloße Wunsch des Beschuldigten, einen anderen Verteidiger beigeordnet zu bekommen, genügt daher weiterhin nicht (OLG Hamm, a.a.O). Auch wird das Vertrauensverhältnis nicht allein dadurch zerstört, dass sich der Beschuldigte in Abkehr von der bisherigen Verteidigungsstrategie dazu entschließt, ein Geständnis abzulegen (BGH, Beschl. v. 5.2.2020 – StB 6/20).
c) Einvernehmlicher Verteidigerwechsel
Nicht gesetzlich geregelt wurde hingegen die einvernehmliche Umbeiordnung. Diese ist jedoch unstreitig weiterhin zulässig, hinsichtlich der Voraussetzungen kann auch hier auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Hiernach ist dem Wunsch des Beschuldigten auf Wechsel des Pflichtverteidigers nachzukommen, wenn der bisherige Pflichtverteidiger damit einverstanden ist und durch die Bestellung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden (hierzu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., Rn 3213 ff). Aufgrund der letztgenannten Voraussetzung muss der neue Verteidiger auf Gebühren, die bereits beim „alten” Pflichtverteidiger angefallen sind, verzichten (LG Braunschweig, Beschl. v. 3.9.2020 – 4 Qs 180/20).
Hinweis:
Bei der Antragstellung ist darauf zu achten, dass der Verzicht auf bereits angefallene Gebühren hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, andernfalls besteht die Gefahr einer Ablehnung. Der BGH hält die pauschale Formulierung, dass die Umbeiordnung „nicht zu einer Mehrbelastung der Justizkasse” führen werde, für’unzureichend (BGH, Beschl. v. 12.11.2020 – StB 39/20).