Eine der wichtigsten Neuerungen der Reform war die Änderung des Rechtsmittelrechts dahingehend, dass anstelle der „einfachen” Beschwerde nunmehr die sofortige Beschwerde statthaft ist, §§ 142 Abs. 7, 143 Abs. 3, 143a Abs. 4, 144 Abs. 2 S. 2 StPO. Es ist also nunmehr die einwöchige Beschwerdefrist zu beachten.
Gleich geblieben ist indes, dass es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels einer Beschwer bedarf. An einer solchen fehle es beim entpflichteten Pflichtverteidiger; dieser hat, wie bereits nach altem Recht (vgl. KG, Beschl. v. 22.5.2018 – 4 Ws 62/18 – 161 AR 257/17), kein eigenes Beschwerderecht gegen die Aufhebung seiner Bestellung (BGH, Beschl. v. 18.8.2020 – StB 25/20). Mit der Einführung der sofortigen Beschwerde habe der Gesetzgeber lediglich das Ziel verfolgt, schnell Klarheit darüber zu schaffen, wer die Verteidigung übernimmt, der Kreis der Beschwerdebefugten sollte dagegen nicht erweitert werden (BGH, a.a.O.).
Demgegenüber hat die Rechtsprechung dem Pflichtverteidiger, der sich gegen die Ablehnung der von ihm selbst beantragten Rücknahme der Bestellung wendet, eine Beschwerdebefugnis zuerkannt (BGH, Beschl. v. 5.3.2020 – StB 6/20).
Hinweis:
Eine im Moment der Anklageerhebung noch nicht erledigte sofortige Beschwerde ist in einen erneuten Antrag auf Pflichtverteidigerwechsel umzudeuten, für den der Vorsitzende des mit der Sache nunmehr befassten Gerichts zuständig ist (BGH, Beschl. v. 12.11.2020 – StB 34/20). Dessen Entscheidung ist anschließend ihrerseits beschwerdefähig.
Bereits vor der Einlegung eines Rechtsmittels, nämlich bei der Stellung des Beiordnungsantrags, sollte die Verteidigung jedoch auf eine sorgfältige und vollständige Darlegung der Gründe achten, aus denen sich die Notwendigkeit der Verteidigung ergibt. Drängt sich diese im Einzelfall nicht auf, etwa wegen eines Verbrechensvorwurfs oder der Inhaftierung des Beschuldigten, so ist zu den Beiordnungsgründen vorzutragen. Wird hier nachlässig agiert oder unterbleibt die gebotene Darlegung der Beiordnungsgründe gar ganz, besteht nicht nur die Gefahr, dass der Antrag abgelehnt wird, sondern es kann unter Umständen auch im Rechtsmittelverfahren nicht mehr so weitreichend „nachgebessert” werden, dass jedweder Nachteil für den Beschuldigten korrigiert werden kann. Werden nämlich erst mit der Beschwerde die deren Erfolg begründenden Tatsachen vorgetragen, können dem Beschuldigten seine notwendigen Auslagen entsprechend § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StPO auferlegt werden (LG Braunschweig, Beschl. v. 8.10.2020 – 1 Qs 203/20).
Ferner soll es einer nachträglichen Verteidigerbestellung entgegenstehen, wenn die maßgeblichen Umstände vor die Notwendigkeit der Verteidigung dem zuständigen Gericht nicht rechtzeitig zur Kenntnis gebracht werden und das Unterbleiben der erstrebten Verteidigerbestellung damit nicht allein auf justizinternen Umständen beruht (OLG Bremen, Beschl. v. 23.9.2020 – 1 Ws 120/20).
Von RiLG Thomas Hillenbrand, Stuttgart
ZAP F. 22, S. 181–188