Am 20. Januar hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem Kinderrechte ausdrücklich in der Verfassung verankert werden sollen. Damit will die Regierungskoalition die besondere Bedeutung von Kindern und ihren Rechten deutlicher herausstellen. Insbesondere wird hervorgehoben, welch hohe Bedeutung Kindern und ihren Rechten in unserer Gesellschaft zukommt. Gleichzeitig wird betont, dass hierdurch die Rechte der Eltern in keiner Weise eingeschränkt werden.
Verankert werden die Kinderrechte in Art. 6 GG. In Abs. 2 des Grundrechtsartikels wird folgender Passus eingefügt: "Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt."
Aus der Erläuterung des Vorhabens geht hervor, dass in die geplante Änderung vier Aspekte eingebracht werden:
- So stellt der Entwurf zum einen klar, dass Kinder Träger von Grundrechten sind, die zu achten und zu schützen sind. Dies umfasst insb. das Recht der Kinder, sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten zu entwickeln.
- Des Weiteren wird das Kindeswohlprinzip auf Verfassungsebene verankert. Gleichwohl wird durch die Formulierung "angemessen" sichergestellt, dass auch die Interessen anderer Grundrechtsträger berücksichtigt werden, indem diese ggf. widerstreitenden Interessen mit dem Kindeswohl in einen verhältnismäßigen Einklang zu bringen sind.
- Auch wird der Anspruch auf rechtliches Gehör bekräftigt. Denn das Kindeswohl könne – so die Begründung der Regierung – bei Entscheidungen nur dann angemessen berücksichtigt werden, wenn vorher ermittelt wurde, wie die konkreten Interessen des betroffenen Kindes aussehen.
- Nicht zuletzt wird klargestellt, dass sich durch die Verfassungsänderung weder an der Erstverantwortung der Eltern noch am staatlichen Wächteramt bei Gefährdungen des Kindeswohls – beide sind ebenfalls im Grundgesetz geregelt – etwas ändert: Das bestehende austarierte Verhältnis zwischen Eltern, Kindern und Staat soll durch die Änderung bewusst nicht angetastet werden. Die Grundrechte des Kindes werden also im Verhältnis zu anderen Grundrechtsträgern (z.B. Eltern) nicht ausgeweitet. Im Verhältnis zum Staat weist das Grundgesetz die primäre Zuständigkeit für die Entwicklung ihrer Kinder ("Erstverantwortung") nach wie vor den Eltern zu. Es bleibt hier beim Status quo, dass der Staat nur dann eingreift, wenn die Eltern das Wohl des Kindes gefährden.
Vorausgegangen ist dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf ein breit angelegter Diskussionsprozess. Bund und Länder berieten in einer Arbeitsgruppe intensiv, wie ein Kindergrundrecht formuliert werden kann und legten dazu im Oktober 2019 einen Abschlussbericht vor, auf dessen Grundlage nun der Gesetzentwurf der Koalition entstand. Die Ursprünge liegen aber noch weiter zurück: Bereits seit der Ratifizierung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen durch Deutschland im Jahr 1992 wurde die Aufnahme spezifischer Kindergrundrechte ins Grundgesetz diskutiert. Mit der Ratifizierung hatte sich Deutschland dazu verpflichtet, die Rechte von Kindern zu achten, zu schützen und zu fördern, wobei in Deutschland alle Menschen bis 18 Jahre als Kind gelten.
Bei den Beratungen zur Grundgesetzänderung hat sich die Koalition dazu entschieden, eine Formulierung zu wählen, wonach das Kindeswohl "angemessen" zu berücksichtigen ist. Hierfür gaben verfassungsdogmatische und rechtssprachliche Gründe den Ausschlag. Die getroffene Wortwahl füge sich – so die Bundesregierung – besser in die Sprache des Grundgesetzes ein als das völkerrechtliche Vorbild und lasse noch den gebotenen Raum für verfassungsrechtliche Abwägungen.
[Quelle: Bundesregierung]