Das Bundeskartellamt möchte Kronzeugen, die Kartelle in der Wirtschaft aufdecken, besser schützen. Bisher können diese zwar von Bußgeldern verschont werden, vor Schadensersatzforderungen der Unternehmen, die durch das aufgedeckte Kartell geschädigt wurden, sind sie aber derzeit nicht sicher.
Aufsichtsbehörden im Wettbewerbsrecht sind in ihren Ermittlungsverfahren oft auf Insiderwissen angewiesen. Besonders hilfreich für ihre Arbeit ist’es, wenn es ihnen gelingt, eines der an den heimlichen Absprachen beteiligten Unternehmen dazu zu bringen, das gesamte Kartell aufzudecken. Immerhin winken dann demjenigen, der als erster "ausgepackt" hat, die rechtlichen Vorteile der Kronzeugenregelung aus den §§ 81h bis 81n GWB. Dabei gibt es jedoch einen Haken: Zwar können die geständigen Firmen damit rechnen, von Bußgeldern des Kartellamts verschont zu werden. Dennoch drohen ihnen nach Abschluss des Kartellverfahrens häufig hohe Schadensersatzforderungen der Opfer der Kartellabsprachen. Denn diese machen nach Aufdeckung des Kartells häufig keinen Unterschied und halten sich mit ihren Rückforderungen nicht nur an die Adressaten der Bußgeldbescheide, sondern auch an die Kronzeugen.
Dies würden die Kartellwächter gerne ändern. "Demjenigen oder derjenigen, der oder die als erster auspackt, sollten wir nicht nur die staatliche Strafe ganz oder weitgehend erlassen. Wir sollten dieses Unternehmen auch zum großen Teil oder ganz von Schadenersatzforderungen freistellen", erläuterte der’Präsident der Wettbewerbsbehörde, Andreas Mundt, kürzlich gegenüber der Presse. Seine Hoffnung: Durch eine weitere Stärkung der Kronzeugenregelung könnten in Zukunft Kartelle noch häufiger aufgedeckt werden.
Im zurückliegenden Jahr verhängten die Kartellbehörden wegen verbotener Absprachen Bußgelder im Umfang von rund 105 Mio. EUR. Besonders betroffen waren etwa die Branchen Unterhaltungselektronik und Stahlherstellung. Die Höhe der verhängten Bußgelder fiel allerdings niedriger aus als in den Vorjahren. In 2020 beliefen sich die Strafzahlungen noch auf 358 Mio. EUR und im Jahr davor sogar auf mehr als 800 Mio. EUR.
Mit seinem Vorstoß greift Mundt eine Initiative auf, die bereits den Bundestag in der letzten Legislaturperiode beschäftigt hat. Mit einem Hinweisgeberschutzgesetz sollten Informanten besser geschützt werden; allerdings scheiterte das Vorhaben an unterschiedlichen Vorstellungen innerhalb der großen Koalition.
[Red.]