(BGH, Urt. v. 10.11.2021 – VIII ZR 187/20) • Die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB, nach welcher die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig gelten, findet im Rahmen der Einordnung des rechtsgeschäftlichen Handelns eines Kaufmanns als Verbraucher- oder Unternehmerhandeln nach §§ 13, 14 Abs. 1 BGB jedenfalls dann keine Anwendung, wenn es sich bei dem Kaufmann um eine natürliche Person in Form eines Einzelkaufmanns handelt. Die Vermutungswirkung des § 476 BGB a.F. in Form der Beweislastumkehr bei Vorliegen eines Sachmangels kommt lediglich dann zur Anwendung, wenn der Käufer darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass sich an der Kaufsache innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand gezeigt hat, der, hätte er seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand, dessen Haftung wegen einer Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründete. Kommt als Ursache für eine festgestellte Mangelerscheinung auch ein Umstand in Betracht, der keine Haftung des Verkäufers begründen würde, wie dies regelmäßig bei gewöhnlichem Verschleiß an nicht sicherheitsrelevanten Teilen eines Gebrauchtwagens der Fall ist, gilt dieser Beweis erst dann als erbracht, wenn feststeht, dass die Ursache ebenfalls in einem Umstand liegen kann, der, sofern er dem Verkäufer zuzurechnen wäre, dessen Haftung nach sich ziehen würde. Die Regelung des § 476 BGB a.F. hat zumindest in den Fällen, in denen der Käufer innerhalb deren Sechsmonatsfrist sämtliche Voraussetzungen für die Entstehung des betreffenden Mangelrechts geschaffen und dieses gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht hat, eine sog. Ausstrahlungswirkung dahingehend, dass bezogen auf diejenigen, für die Durchsetzung des Mangelrechts neben dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs jeweils zusätzlich relevanten späteren Zeitpunkte, die sich innerhalb des Sechsmonatszeitraums bewegen, ebenfalls die Darlegung und der Nachweis des Vorhandenseins einer Mangelerscheinung genügt. Darüber hinaus wirkt die Bestimmung des § 476 BGB a.F. in den genannten Fällen dahingehend fort, dass der Käufer – soweit er auch das Vorliegen eines Mangels zu Zeitpunkten, die außerhalb der Sechsmonatsfrist des § 476 BGB a.F. liegen (etwa im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung), zu beweisen hat – ebenfalls lediglich das Fortbestehen der jeweiligen nachweislich innerhalb der Frist des § 476 BGB a.F. aufgetretenen Mangelerscheinung bis zu diesen Zeitpunkten, nicht aber deren Verursachung durch den Verkäufer nachzuweisen hat. Der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gem. § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB kann nach wie vor anhand der sog. fiktiven Mangelbeseitigungskosten bemessen werden.
ZAP EN-Nr. 102/2022
ZAP F. 1, S. 171–172