1. Allgemeines
Auch im Bußgeldverfahren ist eine Wiederaufnahme möglich. Sie richtet sich nach § 85 Abs. 1 OWiG, der auf die entsprechenden Regelungen in der StPO verweist. Die zu beachtenden Besonderheiten für die Wiederaufnahme ergeben sich lediglich aus den §§ 85 Abs. 2–4 OWiG (vgl. Burhoff/Kotz/Amelung/Werning, RM, Teil B Rn 1233; Burhoff/Gübner, Rn 4247 ff.). Im Einzelnen:
2. Wiederaufnahmegegenstand
Die Wiederaufnahme kann sich richten gegen einen Bußgeldbescheid einer Verwaltungsbehörde, das Urteil eines Gerichts im Bußgeldverfahren, ein strafgerichtliches Urteil (auch Strafbefehl), wenn darin eine Geldbuße oder Nebenfolge wegen einer Ordnungswidrigkeit verhängt wurde oder der Angeklagte insoweit freigesprochen wurde, einen Beschluss nach § 72 OWiG, ein Urteil oder einen Beschluss nach einer Rechtsbeschwerde (§ 79 Abs. 5, 6 OWiG) oder die Einstellung wegen eines nicht behebbaren Verfahrenshindernisses (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206a StPO oder § 260 Abs. 3 StPO). Die jeweilige Entscheidung muss materiell rechtskräftig geworden sein. Dabei ist aber zu beachten, dass der Bußgeldbescheid nur eine beschränkte Rechtskraft aufweist und lediglich die Verfolgung weiterer Ordnungswidrigkeiten hindert, nicht aber die Verfolgung von Straftaten (§ 84 Abs. 1 OWiG). Wurde ein Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG aus Opportunitätsgründen eingestellt, bedarf es bei neuen Tatsachen keines Wiederaufnahmeverfahrens. Die Verwarnung kann gem. § 56 OWiG nicht mit der Wiederaufnahme angefochten werden.
Hinweis:
Hat der Antragsteller gegen den Bußgeldbescheid keinen Einspruch eingelegt und strengt er dann später das Wiederaufnahmeverfahren unter Hinweis auf einen erst jetzt benannten Zeugen und damit auf ein neues Beweismittel an, trifft ihn eine erweiterte Darlegungslast: Er muss ausführen, weswegen er nicht schon im Ursprungsverfahren Einspruch eingelegt und diesen Zeugen nicht schon damals benannt hat (LG’Landshut VRR 2014, 193 m. Anm. Werning; LG Stuttgart VRR 2008, 283).
3. Antragsziel
Auch für die Antragsziele gelten bei der Wiederaufnahme zugunsten des Betroffenen die allgemeinen Regeln nach § 85 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 363 Abs. 1 StPO, wonach das Ziel einer milderen Bußgeldentscheidung nur dann zulässig ist, wenn sie aufgrund eines anderen Gesetzes als Bemessungsgrundlage erfolgen muss. Die Berufung nur auf eine andere Strafzumessungsrichtlinie genügt dagegen nicht (so AG Hamburg-Altona NZV 1994, 451, 452).
Hinweis:
Eine Ausnahme gilt im Fall der Wiederaufnahme nach § 395 Nr. 5 StPO. Nach § 85 Abs. 2 OWiG ist eine Wiederaufnahme zugunsten des Betroffenen unzulässig und damit eingeschränkt, wenn sie auf Nova gem. § 359 Nr. 5 StPO gestützt wird und in der angegriffenen Entscheidung gegen den Betroffenen nur eine Geldbuße oder eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art von nicht mehr als 250 EUR verhängt wurde (§ 85 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und S. 2 OWiG) oder seit der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung mehr als drei Jahre vergangen sind (§ 85 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 OWiG).