Darüber hinaus ist die Rechtsbeschwerde gem. § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG zulässig, wenn sie nach § 80 OWiG zugelassen wird. Die mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde zusammenhängenden Fragen haben wegen der 1998 erfolgten Anhebung der Wertgrenzen in § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 OWiG (s.o. II.) erheblich an Bedeutung zugenommen (eingehend zur Zulassung Burhoff/Junker, OWi Rn 3238 ff.; Burhoff/Kotz/Junker, Rechtsmittel, Rn 1427 ff.). Eine Zulassungsbeschwerde gegen eine Beschlussentscheidung nach § 72 OWiG gibt es nicht (vgl. BayObLG DAR 1991, 388 m.w.N.; OLG Hamm VRS 50, 59).
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils muss „geboten” sein, d.h. sie muss sich aufdrängen und nicht nur naheliegen. Nach § 80 Abs. 1 OWiG ist die Rechtsbeschwerde ggf. zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (dazu BGHSt 24, 15, 21; OLG Bamberg DAR 2011, 212 = VRR 2011, 83; OLG Hamm DAR 1973, 139; DAR 2010, 99 = VRR 2011, 75; OLG Köln NZV 2010, 270 = NStZ-RR 2010, 88). Von größerer praktischer Bedeutung als die Zulassung zur Fortbildung des Rechts ist die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, wenn sonst schwer erträgliche Unterschiede in der Rspr. entstehen oder fortbestehen würden. Dabei kommt es darauf an, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rspr. im Ganzen hat. Bei einer Fehlentscheidung, die sich nur im Einzelfall auswirkt, ist die Einheitlichkeit der Rechtsprechung noch nicht gefährdet, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist (vgl. u.a. OLG Koblenz NJW 1990, 2398; OLG Hamm NJW 1990, 2369; zu allem Burhoff/Junker, OWi, Rn 3240 ff.; zur sog. Wiederholungsgefahr s. KG NJW 2010, 2900 = VRR 2010, 313 = StRR 2010, 396 [fehlerhafte Behandlung des Schweigerechts]). Wird bewusst von einer höchstrichterlichen Entscheidung abgewichen, so ist i.d.R. ein Grund für die Zulassung gegeben; dann tritt nämlich offen zutage, dass die Rspr. uneinheitlich ist (OLG Düsseldorf NStZ 1991, 395 = NZV 1991, 283). Bei Fehlern des Verfahrensrechts ist für die Zulassung der Rang der Norm, die fehlerhaft angewendet worden ist, entscheidend. Sind elementare Verfahrensgrundsätze verletzt, so z.B. das Gebot des fairen Verfahrens, das Recht auf die Anwesenheit in der Hauptverhandlung oder das Recht auf Mitwirkung eines Verteidigers (vgl. BayObLG DAR 1976, 166), ist i.d.R. die Gefahr einer Wiederholung gegeben, weil die elementaren Verfahrensgrundsätze in jedem Verfahren zu beachten sind; ob bewusst oder unbewusst dagegen verstoßen worden ist, ist hier nicht entscheidend. Bei Vorliegen eines absoluten Rechtsbeschwerdegrundes i.S.v. § 338 StPO ist eine Abwägung vorzunehmen, ob wegen der Besonderheiten des Bußgeldverfahrens die Gesetzesverletzung von einem solchen Rang ist, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist. Das kann z.B. bei einem Verstoß gegen § 338 Nr. 1 StPO der Fall sein (vgl. OLG Köln VRS 53, 276).
§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG verpflichtet das Rechtsbeschwerdegericht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde auch dann, wenn es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (vgl. dazu BayObLG NZV 1989, 34). Die Zulassung soll danach erfolgen, wenn nicht zweifelhaft sein kann, dass auch das anderenfalls angerufene BVerfG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils gelangen würde. Der Zulassungsgrund setzt voraus, dass rechtliches Gehör nicht gewährt worden ist. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln. Fälle der Verletzung des rechtlichen Gehörs sind z.B. angenommen worden, wenn dem Betroffenen der Schlussvortrag verweigert, sein Verteidiger zurückgewiesen (BayObLG NStZ 1988, 281) oder seine Teilnahme an der Hauptverhandlung vereitelt wird (OLG Hamm NJW 1972, 1063).
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist bei sog. geringfügigen Ordnungswidrigkeiten eingeschränkt. Hier gibt es sie nach § 80 Abs. 2 OWiG nur zur Fortbildung des materiellen Rechts. Die Grenze, was als „geringfügig” anzusehen ist, liegt bei 100 EUR. Der Zulassungsantrag kann in diesen Fällen nur auf die Sachrüge gestützt werden. Mit der Verfahrensrüge kann nur geltend gemacht werden, das rechtliche Gehör sei versagt worden. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG bleibt von der Beschränkung des § 80 Abs. 2 OWiG unberührt (OLG Düsseldorf NJW 1999, 2130; OLG Köln NStZ 1988, 31; Burhoff/Junker, OWi, Rn 3260). Allerdings ist in derartigen Fällen die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur mit der Einschränkung gegeben, dass es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.