1. Gesetzliche Regelung
Wie sich der Gegenstandswert in Verfahren über die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bestimmt, ergibt sich aus § 23a RVG. Nach § 23a Abs. 1 RVG bestimmt sich der Gegenstandswert im Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe oder die Aufhebung der Bewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert; im Übrigen ist er nach dem Kosteninteresse nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei findet nach § 23a Abs. 2 RVG keine Zusammenrechnung mit dem Wert für das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, statt.
2. Gegenstandswert im Beschwerdeverfahren
a) Grundsätzlich Hauptsachewert
Der Bay. VGH hatte sich vor einiger Zeit in seinem Beschluss v. 11.5.2022 (AGS 2022, 322 [Hansens]) mit der Frage zu befassen, wie sich der Gegenstandswert im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe bestimmt. Nach Auffassung des Bay. VGH richtet sich der Gegenstandswert auch in einem solchen Beschwerdeverfahren nach § 23a RVG. Dies hat der Bay. VGH damit begründet, die Regelung des § 23a RVG gelte auch für das Beschwerdeverfahren. § 23a RVG unterscheide nämlich nicht nach Instanzen, sondern nur nach Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und den übrigen Verfahren (vgl. N. Schneider NJW-Spezial 2019, 348 und in: Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, PKH, Rn 2.3996).
Auch in der Beschwerdeinstanz entspricht das Interesse des Antragstellers an der Bewilligung der Prozesskostenhilfe regelmäßig dem Wert der Hauptsache (BGH AGS 2020, 239 = RVGreport 2020, 186 [Hansens]; BGH AGS 2010, 549 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2011, 72 [Hansens] = JurBüro 2011, 31; Bay. VGH – 9. Senat – AGS 2007, 48 = RVGreport 2006, 316 [ders.] = NJW 2007, 861; OVG NRW AGS 2015, 34; Toussaint, a.a.O., § 23a RVG Rn 2; Potthoff in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl. 2015, § 23a Rn 5; Gierl in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, § 23a Rn 3; N. Schneider in: Schneider/Kurpat, a.a.O., PKH, Rn 2.3993 ff.; Sommerfeldt in: BeckOK RVG, Stand 1.3.2022, § 23a Rn 1; Enders in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 23a Rn 12; Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 10. Aufl. 2022, Kosten der Beschwerdeinstanz, Rn 1094; Hansens, ZAP F. 24, 1761, 1773 ff.; a.A. Bay. VGH – 5. Senat – AGS 2019,190 = RVGreport 2019, 153 [Hansens]; VGH Baden-Württemberg AGS 2009,404 = RVGreport 2009, 234 [Hansens]; ebenso OLG Stuttgart AGS 2010, 454; OLG Karlsruhe JurBüro 1980, 1853 m. Anm. Mümmler; OLG Koblenz JurBüro 1992, 325 und JurBüro 1993, 423 noch zur Geltung der BRAGO). Dies wird damit begründet, die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für den Antragsteller sei aus seiner Sicht notwendig ist, um das Verfahren überhaupt führen zu können. Wenn die beantragte Verfahrenskostenhilfe in erster Instanz versagt worden ist, ist kein Grund dafür ersichtlich, dass das Interesse des Antragstellers im Beschwerdeverfahren geringer sein sollte (BGH, jeweils a.a.O.).
Auch im Beschwerdeverfahren geht es dem bedürftigen Antragsteller nämlich im Ergebnis darum, durch die erstrebte Bewilligung von Prozesskostenhilfe von den Kosten der ersten Instanz befreit zu werden, um überhaupt das Hauptsacheverfahren betreiben zu können. Dies muss dann auch in dem Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren zum Ausdruck kommen. Dies gilt erst recht, wenn man deren Höhe in die Erwägungen mit einbezieht. Während im erstinstanzlichen Prozesskostenhilfe-Verfahren dem Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten nach Nr. 3335 VV RVG im Regelfall eine 1,0 Verfahrensgebühr entsteht, fällt im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nur die 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG an.
Folglich entspricht der Gegenstandswert auch im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren grds. dem Wert der Hauptsache. Im Fall des Bay. VGH war dies ein Betrag von 10.000 EUR.
b) Ausnahmen
Von diesem Grundsatz gibt es – je nach verfahrensrechtlicher Ausgangslage – mehrere Ausnahmen. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass auch im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren der Wert der Hauptsache maßgeblich ist, gilt einmal dann, wenn der Bedürftige Prozesskostenhilfe nur für einen Teil der Hauptsache beantragt hat. In diesem Fall ist auch nur dieser Teil des Hauptsachewertes für die Bemessung des Gegenstandswertes maßgebend. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nur mit der Maßgabe erfolgt ist, dass die Partei Raten zu zahlen hat oder einen Teil ihres Vermögens einzusetzen hat (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Anhang VI Rn 411) und dies mit der Beschwerde angefochten wird. Ebenso ist ausnahmsweise nicht der Hauptsachewert, sondern das Kosteninteresse des Bedürftigen maßgeblich, wenn die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nur auf bestimmte Gebühren beschränkt worden ist (s. den Fall des BGH AGS 2020, 239 = RVGreport 2020, 186 [Hansens]: Beschränkung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG). Dieser Ausnahmefall wird in der Praxis deshalb aber nur selten eintreten, weil eine derartige Beschrä...