Viele gerichtliche und außergerichtliche Vergleiche werden mit sog. Abgeltungsklauseln geschlossen. Darin wird geregelt, dass unter näher beschriebenen Voraussetzungen sämtliche Ansprüche der Parteien ausgeglichen sein sollen.
Beispiel:
In der Praxis wird ein Vergleich häufig wie folgt formuliert:
- Der Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger zum Ausgleich der Klageforderung bis zum (...) einen Betrag von (...) EUR zu zahlen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich dieses Vergleichs übernehmen der Kläger 20 % und der Beklagte 80 %.
- Mit Zahlung des unter Ziffer 1 aufgeführten Betrags sind sämtliche Ansprüche der Parteien – gleich aus welchem Rechtsgrund – gegeneinander ausgeglichen.
Bei der Formulierung eines eine Abgeltungsklausel enthaltenden Vergleichs sollte besondere Sorgfalt aufgewandt werden, damit deren Anwendungsbereich jedenfalls ihrem Wortlaut nach nicht auch Ansprüche erfassen, die eigentlich gar nicht von ihr geregelt werden sollten.
Beispiel:
So könnte im vorstehenden Beispiel in Ziffer 3 des Vergleichs die Abgeltungsklausel enger gefasst werden:
„Mit Zahlung des unter Ziffer 1 aufgeführten Betrags sind sämtliche Ansprüche der Parteien aus dem diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (besser noch konkreter: aus dem Kaufvertrag der Parteien vom ...) gegeneinander ausgeglichen.”
Mit welchen Einwendungen gerechnet werden muss, wenn eine Abgeltungsklausel nicht optimal formuliert worden ist, zeigt der Beschluss des OLG Brandenburg v. 19.9.2022 – 6 W 54/22 (AGS 2022, 564 [Hansens]).
1. Fall des OLG Brandenburg
In dem vor dem LG Cottbus geführten Rechtsstreit hatten die Parteien und die Streithelferin des Beklagten, eine Frau F., einen durch Beschl. v. 4.10.2021 gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Prozessvergleich geschlossen. In Ziffer 1 dieses Vergleichs haben die Beteiligten zwei rechtshängige Klagen näher bezeichnet, und zwar den hiesigen Rechtsstreit und einen weiteren vor dem AG Potsdam. In Ziffer 2 haben die Beteiligten eine ausdrückliche Kostenregelung getroffen, in der u.a. geregelt ist: „Der hiesige Beklagte und Frau F. verpflichten sich, in beiden Verfahren keinen Kostenantrag zu stellen und tragen die gesamten Verfahrenskosten sowie die Kosten dieses Vergleichs als Gesamtschuldner.” Ziffer 3 des Vergleichs enthält eine sog. große Abgeltungsklausel für „sämtliche Ansprüche zwischen der Klägerin auf der einen Seite und dem Beklagten ... sowie Frau F. auf der anderen Seite, gleich aus welchem Rechtsgrund...”.
Auf den Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin hat der Rechtspfleger des LG die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Vergleichs gegen den Beklagten und Frau F. als Gesamtschuldner festgesetzt. Hiergegen hat der Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt. Mit dieser hat er u.a. geltend gemacht, die Abgeltungsklausel in Ziffer 3 des Vergleichs stünde dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch entgegen.
Das OLG Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 19.9.2022, a.a.O., die sofortige Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen.
2. Behandlung des Einwands im Kostenfestsetzungsverfahren
a) Materiell-rechtlicher Einwand
Bei dem Einwand, der von dem Erstattungsberechtigten geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch sei durch die in dem Vergleich vereinbarte Abgeltungsklausel ausgeschlossen, handelt es sich um einen materiell-rechtlichen Einwand, der seine Grundlage in einer Vereinbarung der Parteien hat. Eine solche materiell-rechtliche Einwendung ist im Kostenfestsetzungsverfahren grds. nicht zu berücksichtigen ist (BVerwG AGS 2015, 588 = zfs 2015, 584 m. Anm. Hansens = RVGreport 2015, 388 [ders.]). Allenfalls kann ein solcher materiell-rechtlicher Einwand aus verfahrensökonomischen Gründen ausnahmsweise dann im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden, wenn er keine Tatsachenaufklärung erfordert und er sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lässt. Ein solcher Ausnahmefall hatte im Fall des OLG Brandenburg nicht vorgelegen. In einem solchen Fall sind materiell-rechtliche Einwendungen vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (BGH AGS 2014, 296 = RVGreport 2014, 318 [Hansens]: Aufrechnung).
b) Geltungsbereich der Abgeltungsklausel
Folglich hätte das OLG Brandenburg an sich zum Geltungsbereich der Abgeltungsklausel keine Feststellungen treffen müssen oder gar dürfen. Das OLG Brandenburg hat demgegenüber die Abgeltungsklausel dahin ausgelegt, dass der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin durch die Abgeltungsklausel nicht ausgeschlossen worden ist. Es wäre nämlich nach Auffassung des OLG widersinnig, dass in Ziffer 2 des Vergleichs eine Kostenregelung getroffen wird, die einer Partei – hier der Klägerin – einen Kostenerstattungsanspruch zuspricht, wenn sodann in Ziffer 3 des Vergleichs gleichzeitig geregelt worden wäre, dass sämtliche Ansprüche zwischen den Vergleichsbeteiligten – gleich aus welchem Rechtsgrund – abgegolten seien und hiervon auch der in Ziffer 2 des Vergleichs zugebilligte Kostenerstattungsanspruch erfasst wäre. Dann ergäbe sich nämlich für die Kostenregelung kein praktischer Anwendungsbereich. Diese Auslegung überzeugt.
3. Formulierung einer Abgeltungsklausel in der Praxis
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