Aus Sorge vor dem Erstarken rechtsextremer Parteien gibt es derzeit in der Regierungskoalition und auch in den Bundesländern konkrete Überlegungen, wie speziell das Bundesverfassungsgericht vor Eingriffen durch die Politik besser geschützt werden könnte. Vor Augen haben die Initiatoren einer möglichen Verfassungsänderung dabei Staaten, in denen die Verfassungsgerichtsbarkeit durch eine autoritäre Regierung weitgehend entmachtet wurde. Auch nachdem Anfang Januar investigative Journalisten ein Treffen rechtsgerichteter Politiker aufgedeckt hatten, auf dem u.a. der Plan besprochen worden sein soll, das Bundesverfassungsgericht zu schwächen, wird in einer breiteren Öffentlichkeit der Umstand erörtert, dass die Arbeit des Verfassungsgerichts im Wesentlichen in einem einfachen Bundesgesetz, dem BVerfGG, geregelt ist, welches im Parlament mit einfacher Mehrheit geändert werden könnte.
Wie aus mehreren Bundesländern verlautete, soll sich bereits die nächste Justizministerkonferenz mit dem Thema beschäftigen. Presseberichten zufolge soll auch bereits ein erster Gesetzentwurf vorliegen, der vorsieht, die Organisation und die Arbeit des BVerfG dem einfachen Gesetzgeber zu entziehen und damit die Gewaltenteilung zu festigen. Ebenso zielen die derzeit diskutierten Vorschläge im Wesentlichen darauf ab, wesentliche Aspekte der Tätigkeit des Verfassungsgerichts in der Verfassung zu verankern. So könnte etwa die Existenz der beiden Senate und die Amtszeit der Richter im GG festgeschrieben werden. Den Verfassungsrichtern könnte die Entscheidung über die Geschäftsverteilung und die Arbeitsweise zwingend selbst überlassen werden. Für die Wahl eines Bundesrichters könnte eine doppelte Zweidrittelmehrheit eingeführt werden. Allerdings würde Letzteres auch die Gefahr heraufbeschwören, dass extremistische Minderheiten irgendwann eine ausreichende parlamentarische Stärke erreichen, mit der sie solche Wahlen blockieren könnten. Um dies zu vermeiden, wurde vorgeschlagen, einen neuen Mechanismus zur Lösung dauerhafter Blockaden bei einer Richterwahl in die Verfassung aufzunehmen; dieser könnte etwa vorsehen, dass bei einer Blockade in einem Verfassungsorgan – etwa dem Bundestag – das Wahlrecht auf das andere Verfassungsorgan – den Bundesrat – übergeht und umgekehrt.
Die Diskussion um die Resilienz des Rechtsstaats nimmt damit Fahrt auf. Neu ist sie allerdings nicht; seit Jahrzehnten beschäftigen sich Verfassungsrechtler immer wieder mit der Frage, wie die Gewaltenteilung besser abgesichert werden könnte. Auf die latente Gefährdung von Demokratie und Rechtsstaat hatte eindringlich bereits der Verfassungsrechtler Prof. Ernst Wolfgang Böckenförde hingewiesen, als er die Feststellung traf: „Der freiheitliche säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann”. Was früher allerdings eher in juristischen Seminaren und Dissertationen erörtert wurde, hat sich mittlerweile in vielen Ländern der Welt in erschreckender Weise realisiert. Die jüngst aufgedeckten Pläne rechtsextremer politischer Kräfte in Deutschland könnten deshalb für die Politik ein Fanal sein, sich jetzt verstärkt um den vielbeschworenen „wehrhaften” Rechtsstaat zu bemühen. So sieht es auch der Deutsche Anwaltverein (DAV). Die derzeit erörterten Pläne von Bund und Ländern seien geeignet, „Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit des BVerfG auch in den kommenden Jahrzehnten sicherzustellen”, verlautbarte der DAV in einer Mitteilung Anfang Februar. Darin weist der DAV im Übrigen auch der Anwaltschaft eine „Wächterrolle” im Rechtsstaat zu.
[Red.]