Im deutschen Steuerrecht gibt es mehrere, über zahlreiche Steuergesetze verteilte Vorschriften, die beim Wegzug einer natürlichen Person greifen können. Im Hinblick auf die Wegzugsbesteuerung ist dabei zwischen einer persönlichen und einer gegenständlichen Entstrickung zu unterscheiden (Wacker, IStR 2017, 926).
Die persönliche Entstrickungsbesteuerung knüpft an den Wegzug natürlicher Personen an. Hierunter fallen etwa § 6 AStG und § 1 Abs. 4 EStG. Insbesondere § 6 AStG ist hier von Belang. Diese Norm ist die am deutlichsten auf eine Besteuerung natürlicher Personen anlässlich deren Wegzugs zielende Vorschrift, die jedoch insbesondere aufgrund europarechtlicher Erfordernisse einem stetigen Wandel unterliegt.
Die gegenständliche Entstrickungsbesteuerung knüpft dagegen an den grenzüberschreitenden Transfer von Wirtschaftsgütern oder Betrieben an. Hierunter fallen etwa § 4 Abs. 1 S. 4 EStG i.V.m. § 4g EStG und § 12 Abs. 1 KStG.
Durch das SEStEG vom 13.12.2006 (BGBl 2006 I, S. 2786) wurde mit § 4 Abs. 1 S. 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG erstmals eine allgemeine gegenständliche Entstrickungsbesteuerung im Hinblick auf stille Reserven eines Wirtschaftsguts, das aus der Gewinnermittlung ausscheidet, eingeführt, was einem Paradigmenwechsel gleichkommt. Lediglich im Bereich des Privatvermögens besteht (noch) keine allgemeine Entstrickungsbesteuerung.
1. Einkommensteuer
a) Beschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG)
Natürliche Personen sind nach ihrem Wegzug und dem damit verbundenen Verlust ihres steuerlichen Wohnsitzes oder ihres gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland gem. § 1 Abs. 4 EStG beschränkt steuerpflichtig, wenn sie sog. inländische Einkünfte i.S.v. § 49 EStG erzielen. Anknüpfungspunkt der Steuerpflicht ist hier weniger die Person des Steuerpflichtigen als vielmehr die Quelle, aus der er seine Einkünfte bezieht (Schmidt/Loschelder, § 49 EstG Rn 1).
Die für Wegziehende wohl wichtigsten Fälle der beschränkten Steuerpflicht sind:
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den in Deutschland eine Betriebsstätte besteht oder ein ständiger Vertreter bestellt ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG);
- Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG);
- Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet wird, oder Einkünfte, die als Vergütung für eine Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland bezogen werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 4a, c EStG);
- Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz (z.B. die Dividenden zahlende AG) in Deutschland hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 5a EStG); sowie
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn das unbewegliche Vermögen mit dem Inland verknüpft ist, z.B. im Inland belegen ist, und soweit diese Einkünfte nicht zu den Einkünften i.S.d. Nr. 1–5 des § 49 Abs. 1 EStG gehören (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG).
Betriebsausgaben und Werbungskosten sind nach § 50 Abs. 1 S. 1 EStG bei beschränkter Steuerpflicht ebenfalls grundsätzlich abziehbar, soweit sie mit den inländischen Einkünften nach § 49 EStG in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein unmittelbarer Zusammenhang ist also nicht vonnöten (Schmidt/Loschelder, § 50 EstG Rn 7).
b) Erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 2 AStG)
Nach § 2 AStG sind natürliche Personen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht als Deutsche insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren, die in einem sog. Niedrigsteuerland ansässig oder in keinem ausländischen Gebiet ansässig sind und im Inland wesentliche wirtschaftliche Interessen haben, erweitert beschränkt einkommensteuerpflichtig. Diese erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht besteht nach § 2âEUR™Abs.âEUR™1âEUR™S. 1 AStG bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Ende des Jahres, in dem der Wegzug erfolgte. Dabei entsteht die erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 S. 2 AStG nur für Veranlagungszeiträume, in welchen die entsprechenden Einkünfte 16.500 EUR übersteigen.
Die erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht erstreckt sich über die beschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 49 Abs. 1 EStG hinaus auf alle Einkünfte, die bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S.v. §§ 34c Abs. 1, 34d EStG (sog. erweiterte Inlandseinkünfte) sind (BFH, Urt. v. 19.12.2007 – I R 19/06, IStR 2008, 367).
Die für Wegziehende wichtigsten Fälle erweiterter Inlandseinkünfte dürften sein:
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die weder einer inländischen noch ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind;
- Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn der Schuldner (z.B. die zinszahlende Bank) unbeschränkt steuerpflichtig ist;
- Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung beweglichen Vermögens im Inland (sofern nicht zu einem im Ausland belegenen Sachinbegriff gehörend) sowie
- Einkünfte aus Spekulationsgeschäften i.S.v. § 22 Nr. 2 EStG, wenn die veräußerten Wirtschaftsgüter nicht im Ausland belegen sind.
Die erweiterten Inlandseinkünfte werden nach §...