Der Sperrtatbestand der Tatentdeckung (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO) ist unverändert geblieben. Bei der Tatentdeckung ist danach kein Anfangsverdacht nach § 152 StPO erforderlich; es reicht aus, dass "bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist" (BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180 = wistra 2010, 304). Nach dem BGH ist Tatentdeckung bereits dann anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der zur Steuerquelle oder zum Auffinden der Steuerquelle bekannten Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat nahe liegt. Ist bereits ein Abgleich mit den Steuererklärungen des Betroffenen erfolgt, in denen die Steuerquelle nicht oder nur unvollständig angegeben wurde, liegt immer Tatentdeckung vor. Eine Entdeckung kommt zuvor allerdings auch schon in Betracht, etwa wenn Aussagen von dem Steuerpflichtigen nahestehenden Zeugen über die betroffenen Steuerzeiträume vorliegen oder verschleierte Steuerquellen in Rede stehen, soweit diesbezüglich nach kriminalistischer Erfahrung die Art und Weise der Verschleierung ein signifikantes Indiz für unvollständige bzw. unrichtige Angaben sind (BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180 = wistra 2010, 304). Es reicht aus, dass nur ein Teil der Tat entdeckt ist. Entdeckt sein muss zudem nur die Tat und nicht der Täter (BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180 = wistra 2010, 304).
Als Tatentdecker kommen neben Amtsträgern auch Privatpersonen in Betracht (Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 371 Rn. 192), wenn damit zu rechnen ist, dass die Kenntnis an die zuständigen Behörden weitergeben wird (BGH, Urt. v. 27.4.1988 – 3 StR 55/88, wistra 1988, 308).
Neben der objektiven Komponente der Tatentdeckung, muss der Anzeigeerstatter im Zeitpunkt der Nacherklärung darüber hinaus wissen oder zumindest damit rechnen, dass die Tat entdeckt ist (subjektive Komponente der Tatentdeckung). Seit dem Selbstanzeigebeschluss des BGH betont das Gericht, dass angesichts der verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten und der stärkeren Kooperation bei der internationalen Zusammenarbeit keine hohen Anforderungen mehr an die Annahme des Kennenmüssens zu stellen sind (BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180 = wistra 2010, 304).
Auch für den Sperrtatbestand des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO wird von der h.L. eine Infektionswirkung angenommen. Danach genügt die Entdeckung "einer der Steuerstraftaten", um die Selbstanzeige für die gesamte Steuerart auszulösen (Klein, AO, 12. Aufl., § 371 Rn. 60; Rolletschke, Steuerstrafrecht, 4. Aufl. 2012, Rn. 618b; Hunsmann NJW 2011, 1482). Gegebenenfalls ist auch hier die weitergehende Sachzusammenhangsrechtsprechung zu beachten (BGH, Urt. v. 5.5.2004 – 5 StR 548/03, BGHSt 49, 136 = wistra 2004, 309; BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180 = wistra 2010, 304).
Hinweis:
Die Selbstanzeigemöglichkeit lebt wieder auf, wenn sich der (der Tatentdeckung zugrunde liegende) "Verdacht", aus welchen Gründen auch immer, entkräftet hat und dies nach außen objektiv erkennbar geworden ist (Rolletschke, Steuerstrafrecht, 4. Aufl. 2012, Rn. 619; ähnlich Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 1. Aufl., § 371 Rn. 136: Wiederaufleben, wenn sechs Monate nach Kenntnis von der Tatentdeckung verstrichen sind, ohne dass die Behörden eine strafrechtliche Verfahrenseinleitung bekannt gegeben haben).