– Was bedeutet das für die Anwaltschaft?
I. Übersicht
Nachdem es seit Herbst 2013 das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs gibt – kurz e-justice-Gesetz oder ERV-Gesetz genannt (BGBl. I 2013, S. 3786) –, fragt man sich zu Recht, was in den nächsten Jahren auf die die anwaltliche Praxis zukommt.
Das ERV-Gesetz sieht Änderungen in folgenden Prozessordnungen vor: ZPO, FamFG, ArbGG, SozGG, VwGO, FGO.
Hinweis:
Ausgenommen von der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs sind bislang die Verfassungs- und Strafgerichtsverfahren.
Bekannt gegeben worden ist bereits der Referentenentwurf zur – verbindlichen – Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen worden (s. hierzu ausführlich unter XI.). Schließlich wird auch an gesetzlichen Regelungen zur Einführung einer elektronischen Akte im Notariat und einem zentralen elektronischen Urkundenarchiv nach österreichischem Vorbild gearbeitet.
Der Gesetzgeber hat im ERV-Gesetz den folgenden Zeitplan festgeschrieben:
- 1.1.2016: Alle Anwälte müssen elektronisch erreichbar sein.
- 1.1.2018: Bundesweit ist die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs möglich bei freiwilliger Nutzung.
- 1.1.2020: Länder können elektronischen Rechtsverkehr verpflichtend anordnen.
- 1.1.2022: Bundesweite Verpflichtung der "professionellen Einreicher" zum elektronischen Rechtsverkehr in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (mit Ausnahme des Strafverfahrens) und bei den Fachgerichten.
II. Elektronische Erreichbarkeit durch das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA)
1. Umsetzung des beA
Zum 1.1.2016 müssen alle Anwälte elektronisch erreichbar sein (§ 31a BRAO). Zur Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrags wird die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) für jeden zugelassenen Rechtsanwalt und für jede zugelassene Rechtsanwältin ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (Kurzbezeichnung beA) zur Verfügung stellen.
Dieses "besondere elektronische Anwaltspostfach" basiert auf der bewährten Technik des bereits bestehenden EGVP (elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach). Das EGVP stellt eine gesicherte Verbindung zwischen dem Absender und dem Empfänger her (sog. Leitungsverschlüsselung), um die sich weder der Absender noch der Empfänger kümmern muss. Die Kommunikation zwischen Portal und Gerichten wird damit über den OSCI-Standard erfolgen. Die gesamte Abwicklung wird voraussichtlich über eigene Server der BRAK abgewickelt und erfolgt damit – anders als z.B. bei De-Mail – vollständig verschlüsselt (Ende-zu-Ende-Verschlüsselung). Damit wird den berufsrechtlichen Anforderungen an die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht vollständig genügt.
Die Besonderheit dieses gesetzlich in § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO n.F. und der noch zu erlassenden Rechtsverordnung des Bundes geregelten besonderen elektronischen Anwaltspostfaches besteht aber darin, dass die BRAK für jeden Rechtsanwalt ein solches elektronisches Anwaltspostfach errichtet und führt. Die erforderliche Authentifizierung wird dadurch gewährleistet, dass die Postfachadresse und die Zugangsberechtigung von der Rechtsanwaltskammer erst nach Überprüfung der Zulassung vergeben werden (vgl. § 31a BRAO n.F.). Auf diese Weise ist sichergestellt, dass nur zugelassene Anwälte und Anwältinnen mit den Gerichten elektronisch kommunizieren können. Diese vertrauen im Sinne des bundesweit anerkannten Konzepts "Secure Access To Federated E-Justice" (S.A.F.E.) auf die Richtigkeit des Verzeichnisdienstes der BRAK.
2. Organisation und Betrieb des beA
Die BRAK übernimmt damit in vorbildlicher Weise die Organisation, die technische Einrichtung und den Betrieb und wacht damit vor allem über die Zulassung der Anwälte und Anwältinnen zum beA. Sobald die anwaltliche Zulassung erloschen ist, hebt die BRAK die Zugangsberechtigung zum beA auf und löscht dieses (§ 31a Abs. 2 BRAO). Das hat – vereinfacht ausgedrückt – die Konsequenz, dass sich die Gerichte darauf verlassen können, dass bei einer elektronischen Kommunikation über das beA auch "Rechtsanwalt drin ist, wo Rechtsanwalt drauf steht".
Für die Anwaltskanzleien, die ein Anwaltsprogramm (Kanzleisoftware) einsetzen, wird die entsprechende Kommunikationskomponente in ihr Anwaltsprogramm eingebunden werden. Die verschiedenen Anbieter von Anwaltssoftware sind in diese Entwicklungen eingebunden. Die so ausgestatteten Anwaltskanzleien werden also keine zusätzliche Software für die elektronische Kommunikation mit den Gerichten über das beA benötigen. Damit soll das lästige Wechseln zwischen verschiedenen Programmen vermieden werden. Sollte also bereits eine Kanzleisoftware im Einsatz sein, ist zu erwarten, dass im Rahmen eines regulären Updates eine Schnittstelle zum beA geschaffen wird. Diese Anbindung muss dann nur noch mit der individuellen Zugangskennung konfiguriert werden.
Der Betrieb einer Kanzleisoftware ist aber nicht Voraussetzung für die Nutzung des Anwaltspostfachs. Den Kanzleien, die kein Anwaltsprogramm einsetzen, wird die BRAK ein entsprechendes Kommunikationsmodul, an dem derzeit gearbeitet wird, zur Verfügung stellen. Die BRAK hat im Internet eine – inzwischen beendete – Umfrage zur Nutzerführung des zukünftigen beA durchgeführt, bei der auch einzelne Entwürfe von ...