Die Regelungen des Gesetzes über die Einführungszeitpunkte sind recht verwirrend und einem politischen Kompromiss geschuldet.
Auf der einen Seite stand das Interesse der Anwaltschaft an einem einheitlichen Einführungstermin, um von Land zu Land und Gerichtsbarkeit zu Gerichtsbarkeit unterschiedliche Regelungen zu vermeiden, die unbestreitbar erhebliche Haftungsrisiken zumindest für die überörtlich tätigen Kanzleien auslösen.
Auf der anderen Seite stand das Interesse der Landesjustizverwaltungen, nicht mit der Umstellungsaufgabe überfordert zu werden. Die Justiz ist schon angesichts der Vielzahl der Arbeitsplätze, der unterschiedlichen Gerichtsgrößen und der Sonderregelungen in verschiedenen Rechtsgebieten oder gar mehreren Fachgerichtsbarkeiten mit einem großen Tanker vergleichbar, der nicht so schnell seinen Kurs wechseln kann. Die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs ist für die Justiz eine gewaltige Aufgabe, die sich nicht nur auf finanzielle Aufwendungen und die Bereitstellung von Geräten, ausreichend dimensionierten Übertragungsnetzen und entsprechend angepasster Software beschränkt. Vielmehr handelt es sich auch um eine grundsätzliche Umstellung der täglichen Arbeitsabläufe, die sowohl technisch als auch organisatorisch bewältigt werden muss. Hierzu sind auch umfassende Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erforderlich. Die Bewältigung der täglichen Arbeitsaufgaben muss auch in der "schönen neuen Welt der elektronischen Kommunikation mit den Gerichten" erst einmal ausreichend lange geübt werden. Daher sind auch Pilotverfahren in einzelnen Gerichtsbereichen unverzichtbar als Vorstufe für eine generelle flächendeckende Einführung.
Der im Gesetzgebungsverfahren zum ERV-Gesetz gefundene Kompromiss besteht nun darin, der Ländern einen gewissen Zeitkorridor einzuräumen, an dessen Ende die flächendeckende verbindliche elektronische Kommunikation (mit Ausnahme der Strafgerichtsbarkeit) zwischen Anwaltskanzleien und Gerichten steht, der aber über sog. Opt-In-Vorschriften den Bundesländern die Möglichkeit gibt, das Inkrafttreten bestimmter Regelungen für jedes Land und jede Gerichtsbarkeit separat vorzuverlegen. Der von der Anwaltschaft zu Recht gefürchtete "Flickenteppich" wird damit zwar nicht verhindert, aber auf ein halbwegs erträgliches Maß reduziert.
Hinweis:
Allerdings bedarf es während dieses Zeitkorridors besonderer anwaltlicher Sorgfalt, hier den richtigen und ggf. allein zulässigen Weg zu finden.