Die Zustellung eines Dokuments durch das Gericht an den Anwalt oder von Anwalt zu Anwalt kann weiterhin gegen Empfangsbekenntnis (EB) erfolgen.
Die Frage der förmlichen, rechtwirksamen Zustellung an Anwälte hat im Gesetzgebungsverfahren in der rechtspolitischen Diskussion eine große Rolle gespielt. Nach dem ursprünglichen Gesetzentwurf war geplant, auch gegenüber der Anwaltschaft eine Zwangszustellung einzuführen, die bereits durch den Eingang des elektronischen Dokuments beim Anwalt wirksam wird. Mit dieser Regelung sollte es ermöglicht werden, dass erfolgte Zustellungen ohne manuellen Erfassungsaufwand, sondern automatisch und rationell im IT-System der Justiz erfasst werden. Denn ein EB, das als Textdokument aus der Anwaltskanzlei zurückkommt, muss im Gericht von einer Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin ausgewertet werden; die Zustellungsdaten müssen dementsprechend per Hand in das IT-System der Justiz eingetragen werden. Dagegen bietet eine automatisch abzuwickelnde Zustellung erhebliches Rationalisierungspotential, zumal Zustellungsvorgänge in der Justiz ein absolutes "Massengeschäft" sind. Selbst kleine Verzögerungen, Behinderungen oder Zusatzaufwände im alltäglichen Ablauf wirken sich also aufgrund der Vielzahl der regelmäßig so abzuwickelnden Vorgänge außerordentlich nachteilig aus.
Diese Überlegungen einer solchen automatischen Zustellung haben allerdings den entschlossenen Widerstand der Anwaltschaft hervorgerufen, wobei das gewohnte EB mit seiner Notwendigkeit einer willensgesteuerten Annahmeerklärung des Empfängers quasi als verfassungsrechtlich garantiertes Verfahrensrecht bewertet worden ist.
Von Seiten der Justiz wurde dagegen in der Diskussion darauf verwiesen, dass das EB lediglich eingeführt worden ist, um die Kosten einer Zustellungsurkunde, den damit verbundenen Mehraufwand und auch die regelmäßig in Kauf zu nehmende Verzögerung zu vermeiden. Zwar sei mit der Tatsache, dass der Empfänger das EB unterschreiben muss, der Effekt verbunden, dass der Empfänger damit letztlich auch über den Zeitpunkt des rechtswirksamen Zugangs bestimmen könne. Dies sei allerdings lediglich ein Nebeneffekt und sei keinesfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen auch in Zukunft zu gewährleisten.
Es konnte dann ein Kompromiss gefunden werden, der den Interessen beider Seiten Rechnung trägt. Das EB ist zukünftig elektronisch in strukturierter maschinenlesbarer Form zu erteilen. Das bedeutet, dass als EB kein Textdokument lediglich in elektronischer Form übermittelt wird, sondern ein strukturierter Datensatz, der vom Gericht oder dem Anwalt, an den zugestellt wird, wiederum automatisiert in die eigene EDV eingelesen werden kann.
Konkret muss man sich den Ablauf wie folgt vorstellen:
- Das Gericht – genauer das beim Gericht eingesetzte Computerprogramm – schickt an den Anwalt zusammen mit dem zuzustellenden Schriftstück einen Datensatz.
- Dieser Datensatz wird beim Empfänger von dessen Kanzleisoftware oder von dem von der BRAK bereitgestellten Programmmodul entgegengenommen. Das Programm zeigt an, dass eine Zustellung gegen EB eingegangen ist.
- Von der Anwältin oder vom Anwalt wird dann – willensgesteuert – dieser Datensatz mit Hilfe seines Programms mit dem aktuellen Datum versehen und an das Gericht elektronisch zurückgeschickt (sog. elektronisches Anwalts-EB). Erst zu diesem Datum ist die Zustellung rechtswirksam erfolgt.
- Das gerichtliche IT-System kann diesen Datensatz automatisch auswerten; die Servicekraft muss also nicht erst das Anwalts-EB lesen und die abgelesenen Daten der Zustellung manuell erfassen.
Der einzusetzende Datensatz ist bereits bundeseinheitlich festgelegt worden. Damit ist sichergestellt, dass
- alle bei der Justiz eingesetzten sog. Geschäftsstellenprogramme die Zustellung an Anwaltskanzleien gegen EB mit Hilfe der gleichen Datensatzstruktur einleiten
- alle Kanzleisoftwarelösungen diesen Datensatz erfassen, auslesen und auswerten und die erforderliche Rücksendung an die Gerichte durchführen können.