Das 2. KostRMoG v. 23.7.2013 (BGBl 2013, S. 2586) hat in Nr. 4100 VV RVG eine Änderung gebracht, die einen bis dahin in Rechtsprechung und Literatur bestehenden Streit erledigt hat. In der Vergangenheit war nämlich das Verhältnis der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG zur jeweiligen Verfahrensgebühr nicht eindeutig geklärt. Dazu ist dann teilweise unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zur Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und den dort beschriebenen eigenen Abgeltungsbereich der Grundgebühr (dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 222) die Auffassung vertreten worden, dass die/eine Verfahrensgebühr erst entsteht, wenn der Abgeltungsbereich der Grundgebühr überschritten worden ist (Burhoff in Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2011, RVG, Nr. 4100 VV Rn. 20; KG RVGreport 2009, 186 = StRR 2009, 239 = AGS 2009, 271). Teilweise ist man aber auch davon ausgegangen, dass die Grundgebühr immer neben der/einer Verfahrensgebühr entsteht, da es sich bei dieser um eine "Betriebsgebühr" handle (insb. AnwK-RVG/N. Schneider, RVG, 6. Aufl., VV Vorbem. 4 Rn. 22; AG Berlin-Tiergarten RVGreport 2009, 395 = StRR 2009, 237 = AGS 2009, 322). Der Gesetzgeber hat sich im 2. KostRMoG für die letzte Auffassung entschieden. In Abs. 1 der Anm. zu Nr. 4100 VV RVG ist nämlich der Passus eingefügt worden: "neben der Verfahrensgebühr". Damit ist jetzt klargestellt, dass die Grundgebühr "den Charakter einer Zusatzgebühr hat, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert" (BT-Drucks. 17/11471, S. 281; vgl. auch Burhoff RVGreport 2014, 42).
Dazu liegt inzwischen erste Rechtsprechung von Ober- und Instanzgerichten vor, die diese Änderung in der Praxis umsetzt (vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.11.2014 – 1 Ws 148/14, RVGreport 2015, 65; LG Duisburg RVGreport 2014, 427 = VRR 2014, 319 = AGS 2014, 331 = zfs 2014, 468 = StRR 2014, 360; LG Oldenburg RVGreport 2014, 470 = zfs 2014, 648 = AGS 2014, 552 = StRR 2015, 81). Das OLG Saarbrücken (a.a.O.) verweist darauf, dass nach der durch das am 1.8.2013 in Kraft getretene 2. KostRMoG erfolgten Änderung der Anm. 1 in Nr. 4100 VV RVG nunmehr klargestellt sei, dass die Grundgebühr "neben" der Verfahrensgebühr entstehe. Hierdurch solle verdeutlicht werden, dass die Grundgebühr grundsätzlich nicht allein anfalle, sondern regelmäßig neben der Verfahrensgebühr. Für die Tätigkeit in einem jeden gerichtlichen Verfahren entstehe eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Durch sie werde bereits die Information als Bestandteil des Betreibens des Geschäfts entgolten. Die Grundgebühr solle den zusätzlichen Aufwand entgelten, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Sie habe daher den Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitere (vgl. BT-Drucks. 17/11471, S. 281).
Hinweis:
Hieraus folgt, dass bereits mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts für den Mandanten in jedem (gerichtlichen) Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr und daneben auch eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, die den für die erstmalige Einarbeitung anfallenden zusätzlichen Aufwand honoriert, entsteht (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 21. Aufl. 2013, Vorbem. 4 VV Rn. 11 und 4100, 4101 VV Rn. 9; a.A. offenbar immer noch, allerdings ohne nähere Begründung, OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.11.2014 – 2 Ws 553/14, AGS 2015, 29).
Autor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
ZAP 5/2015, S. 249 – 262