a) Überblick
Hat der Anwalt seine Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks und wohnt er auch nicht im Gerichtsbezirk, so ist eine Notwendigkeitsprüfung durchzuführen (§ 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO). Seine Reisekosten sind nur insoweit erstattungsfähig, als seine Hinzuziehung notwendig war. Dabei ist wiederum zu unterscheiden, wo der Mandant seinen Sitz oder Wohnsitz hat.
b) Der Mandant hat seinen Sitz oder Wohnsitz am Ort der Kanzlei des Anwalts
Beauftragt eine Partei einen an ihrem Sitz oder Wohnsitz niedergelassenen Anwalt, ist zunächst die Grundsatzentscheidung des BGH zu beachten (AGS 2003, 97 m. Anm. Madert = Rpfleger 2003, 98 = BGHR 2003, 152 = MDR 2003, 233 = FamRZ 2003, 441 = JurBüro 2003, 202 = AnwBl 2003, 309 = WM 2003, 1617 = NJW 2003, 898 = RpflStud 2003, 89 = BB 2003, 72 = BRAGOreport 2003, 13 = VersR 2003, 877), wonach eine nicht am Gerichtsort ansässige Partei grundsätzlich einen Anwalt an ihrem eigenen Sitz oder Wohnsitz beauftragen darf und dessen Reisekosten im Obsiegensfall in voller Höhe zu erstatten sind. Diesen Grundsatz hat der BGH in ständiger Rechtsprechung bestätigt (z.B. AGS 2004, 260 = FamRZ 2004, 939 = NJW-RR 2004, 858 = JurBüro 2004, 432 = MDR 2004, 838 = zfs 2004, 473 = DAR 2004, 674; AGS 2007, 430 = Rpfleger 2007, 286 = DAR 2007, 296 = AnwBl 2007, 466 = NJW 2007, 2048 = MDR 2007, 802 = FamRZ 2007, 636 = NZBau 2007, 249 = RVGreport 2007, 235). Auch die Instanzgerichte folgen dieser Rechtsprechung.
Lediglich in Ausnahmefällen lehnt die Rechtsprechung die Erstattung der Reisekosten ab, etwa wenn eine fernmündliche oder schriftliche Information des Prozessbevollmächtigten möglich gewesen wäre.
Hinweis:
Diese Grundsätze gelten auch für den Anwalt, der sich selbst vertritt (§ 91 Abs. 2 S. 3 ZPO). Auch er kann grundsätzlich die Reisekosten von seinem Sitz oder Wohnsitz bis zum Sitz des Gerichts geltend machen (BGH AGS 2003, 276 = JurBüro 2003, 426 = NJW 2003, 1534 = Rpfleger 2003, 321 = MDR 2003, 656 = BGHR 2003, 642 = ZInsO 2003, 518 = AnwBl 2003, 371 = VersR 2004, 668 = NJ 2003, 265 = BRAGOreport 2003, 116 = MittdtschPatAnw 2003, 334 = FamRZ 2003, 1175; OLG München AGS 2012, 310 = NJW-RR 2012, 889 = MDR 2012, 939 = NJW-Spezial 2012, 380 = VRR 2012, 203 = RVGreport 2012, 306 = FamRZ 2012, 1323).
Eine Begrenzung der erstattungsfähigen Kosten findet nicht statt. Insbesondere kann die Partei nicht darauf verwiesen werden, sie hätte einen Terminsvertreter einschalten können, so dass geringere Kosten angefallen wären (BGH WRP 2005, 1546 = GRUR 2005, 1072 = NJW-RR 2005, 1662 = Rpfleger 2006, 39 = AnwBl 2005, 792 = BGHR 2006, 67 = MDR 2006, 296 = JurBüro 2006, 203 = BRAK-Mitt 2005, 279 = FA 2005, 373 = FamRZ 2005, 2062 = RVGreport 2005, 476 = NJW-Spezial 2006, 46 = GuT 2005, 261; AGS 2008, 204 = WRP 2008, 363 = FamRZ 2008, 507 = AnwBl 2008, 215 = MDR 2008, 350 = Rpfleger 2008, 227 = BGHR 2008, 363 = zfs 2008, 226 = JurBüro 2008, 258 = HFR 2008, 765 = NJW-RR 2008, 1378 = RVGreport 2008, 112 = GuT 2008, 55 = BRAK-Mitt 2008, 82).
Es besteht auch keine Verpflichtung, dass die auswärtige Partei und ihr auswärtiger Anwalt zum Termin gemeinsam anreisen müssen. Einer Partei kann nicht entgegengehalten werden, sie hätte, um Kosten zu sparen, zusammen mit dem Anwalt fahren müssen. Die Kosten getrennter Anreisen sind daher erstattungsfähig (LG Stuttgart AGS 2014, 98 = RVGprof. 2014, 38).
c) Der Anwalt hat seine Kanzlei an einem dritten Ort
Hat die Partei ihren Sitz oder Wohnsitz nicht im Gerichtsbezirk und beauftragt sie einen Anwalt, der seine Kanzlei an einem dritten Ort hat, also weder im Bezirk des angerufenen Gerichts noch am Sitz oder Wohnsitz der Partei, sind dessen Reisekosten nach den unter b) genannten Grundsätzen insoweit zu erstatten, als die Reisekosten auch bei einem am Sitz oder Wohnsitz der Partei ansässigen Anwalt angefallen wären (BGH Rpfleger 2004, 316 = NJW-RR 2004, 855 = JurBüro 2004, 431 = FamRZ 2004, 618 = RVGreport 2004, 155 = EWiR 2004, 461 = MittdtschPatAnw 2003, 234; BGH MDR 2012, 312 = Rpfleger 2012, 289 = NJW-RR 2012, 697 = FamRZ 2012, 544 = RVGreport 2012, 191; BGH AGS 2012, 47 = MDR 2011, 1321 = NJW 2011, 3520 = Rpfleger 2012, 46 = JurBüro 2012, 89 = FamRZ 2011, 1867 = RVGreport 2011, 468 = RVGprof. 2012, 20; BGH AGS 2004, 260 = FamRZ 2004, 939 = NJW-RR 2004, 858 = JurBüro 2004, 432 = MDR 2004, 838 = DAR 2004, 674).
d) Der Mandant hat seinen Sitz oder Wohnsitz im Gerichtsbezirk
aa) Überblick
Hat der Mandant seinen Sitz oder Wohnsitz im Gerichtsbezirk, beauftragt er aber einen Anwalt, der seine Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk unterhält und dort auch nicht wohnt, so greift die Rechtsprechung des BGH zum Anwalt am Sitz der Partei (s.o. b) nicht. Es ist jetzt eine weitergehende Notwendigkeitsprüfung durchzuführen (§ 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO). Die Rechtsprechung nimmt hier nur in besonderen Fällen eine Erstattungsfähigkeit an, etwa dann, wenn zu dem auswärtigen Anwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht oder es sich um einen besonderen Spezialisten handelt, und ein solcher im Gerichtsbezirk nicht zu finden ist.
bb) Notwendigkeit wird bejaht
War die Hinzuziehung des auswärtigen Anwalts notwendig, so sind dessen Reisekosten in voller Höhe zu erstatten.
cc) Notwendigkeit wird verneint
Ergibt die Prüfung, dass die Hinzuziehung eines auswärtigen Anwalts nicht n...