1. Überblick
Auch ein im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordneter Anwalt erhält seine Reisekosten. Nach § 46 RVG hat die Landeskasse die notwendigen Auslagen des Anwalts zu übernehmen. Dazu zählen insbesondere auch die Reisekosten des beigeordneten Anwalts (§ 46 Abs. 1 RVG). Der Anwalt hat hier sogar die Möglichkeit, vorab feststellen zu lassen, dass seine Reise notwendig ist (§ 46 Abs. 2 RVG). Der Umfang der aus der Landeskasse zu übernehmenden Reisekosten hängt vom Umfang der Beiordnung ab.
2. Uneingeschränkte Beiordnung
Wird der Anwalt uneingeschränkt beigeordnet, erhält er sämtliche Reisekosten aus der Landeskasse ersetzt. Das gilt auch dann, wenn zutreffenderweise die Beiordnung hätte beschränkt werden müssen. Es ist unzulässig, im Verfahren auf Festsetzung der Verfahrens- oder Prozesskostenhilfevergütung eine Beschränkung nachzuholen, die im Beiordnungsverfahren übersehen worden ist (KG AGS 2010, 612 = JurBüro 2011, 94 = MDR 2011, 327 = Rpfleger 2011, 217 = FamRZ 2011, 835 = NJW-Spezial 2010, 764 = RVGreport 2011, 118; OLG Dresden AGS 2009, 451 = OLGR 2009, 482 = JurBüro 2009, 368; OLG Düsseldorf AGS 2014, 196 m. Anm. Thiel = NJW-Spezial 2014, 253; OLG Brandenburg, Beschl. v. 1.10.2008 – 13 WF 68/08).
3. Beschränkung der Reisekosten auf die Kosten eines Verkehrsanwalts
Mitunter werden auswärtige Anwälte mit der Einschränkung beigeordnet, dass ihre Reisekosten übernommen werden bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts. Diese Rechtsprechung beruht auf der Entscheidung des BGH vom 23.6.2004 (BGHZ 159, 370 = FamRZ 2004, 1362 = NJW 2004, 2749 = AGS 2004, 349 = JurBüro 2004, 604 = Rpfleger 2004, 708 = RVGreport 2004, 356 = MDR 2004, 1373), wonach ein auswärtiger Anwalt uneingeschränkt beizuordnen ist, wenn durch seine Tätigkeit zwar Reisekosten anfallen, auf der anderen Seite aber die Kosten eines ansonsten nach § 121 Abs. 4 ZPO beizuordnenden Verkehrsanwalts vermieden werden.
Hinweis:
Die Frage, ob in diesem Fall uneingeschränkt beizuordnen ist oder mit der Maßgabe, dass die Reisekosten bis zur Höhe eines Verkehrsanwalts übernommen werden, ist strittig. Diese Frage spielt nur dann eine Rolle, wenn die Reisekosten die Kosten eines Verkehrsanwalts übersteigen, was in der Praxis selten der Fall ist. Solche Fälle können allerdings auftreten, wenn der Streit-, bzw. Verfahrenswert gering und die Entfernung groß ist oder wenn es zu mehreren Terminen kommt.
Wird eingeschränkt beigeordnet mit der Maßgabe, dass die Reisekosten lediglich bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts übernommen werden, trägt die bedürftige Partei das Risiko, dass die Reisekosten – ggf. aufgrund mehrerer Termine – die Kosten eines Verkehrsanwalts letztlich übersteigen.
4. Beschränkung zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts
Ist die Beiordnung eines Verkehrsanwalts nicht notwendig, hätte also die bedürftige Partei bzw. der bedürftige Beteiligte keinen Anspruch darauf, dass ihm neben dem Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten auch ein Verkehrsanwalt beigeordnet wird, dann darf der auswärtige Anwalt nicht ohne weiteres beigeordnet werden, weil durch seine Beiordnung Mehrkosten entstehen würden (§ 121 Abs. 1 ZPO).
Hinweis:
Die Praxis verfährt allerdings so, dass sie den Anwalt dennoch beiordnet, allerdings eingeschränkt und damit die Mehrkosten ausschließt. Hierzu ist allerdings das Einverständnis des Anwalts erforderlich, das sich auch konkludent aus dem Beiordnungsantrag ergeben kann.
In diesem Fall darf die Einschränkung aber nur dahingehend lauten, dass der Anwalt "zu den Bedingungen des im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet" wird (OLG Celle AGS 2011, 365 = MDR 2011, 984 = JurBüro 2011, 486 = FamRZ 2011, 1745 = NJW-Spezial 2011, 635 = Rpfleger 2011, 617; OLG Frankfurt AGS 2014, 287 = MDR 2013, 721 = FamRZ 2014, 591). Eine Beschränkung dahingehend, dass der Anwalt "zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Anwalts" beigeordnet wird, ist nicht zulässig, da die ZPO einen gerichtsansässigen Anwalt nicht kennt, sondern nur zwischen dem Anwalt im Gerichtsbezirk und dem Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks unterscheidet (s. § 121 Abs. 3 ZPO).
Ist danach ein auswärtiger Anwalt zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts beigeordnet worden, kann er seine Reisekosten wiederum aus der Landeskasse bis zu den höchstmöglichen Reisekosten eines Anwalts aus dem Gerichtsbezirk verlangen (VG Oldenburg AGS 2009, 467 = NJW-Spezial 2009, 460; LAG Hessen AGS 2010, 299 = NJW-Spezial 2010, 380 = AG kompakt 2011, 143). Es gilt hier gleiches wie bei der Kostenerstattung:
- Gibt es im Gerichtsbezirk Orte, die weiter entfernt sind als der auswärtige Anwalt, sind die Reisekosten des auswärtigen Anwalts in voller Höhe aus der Landeskasse zu vergüten.
- Ist die Kanzlei des auswärtigen Anwalts weiter entfernt als der weitest entfernte Ort innerhalb des Gerichtsbezirks, sind seine Reisekosten bis zu der höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks von der Landeskasse zu übernehmen.
Ob in dem entferntesten Ort derzeit ein Rechtsanwalt residiert, ist unerheblich (OLG Bamberg AGS 2014, 353 u. 529 = NJW-RR 2015, 187 = JurBüro 2015, 372 = NZFam 2014, 1103 = FamRZ 201...