Der BGH (Urt. v. 9.7.2015 – 3 StR 516/14) setzt sich noch einmal mit dem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und dessen Ablehnung auseinander und stellt die dabei einzuhaltenden Vorgaben für den Antrag aber auch für dessen Ablehnung durch das Gericht klar (vgl. dazu auch Burhoff, HV, Rn 919 ff.).

Gegenstand der Entscheidung war ein Antrag, den ein Nebenkläger in einem Verfahren gestellt hatte, in dem dem – freigesprochenen – Angeklagten der Vorwurf des Heimtücke-Mordes (§ 211 StGB) gemacht worden war. Der Nebenkläger hatte in der Hauptverhandlung den – näher begründeten – Antrag gestellt, "ein kriminaltechnisches Sachverständigengutachten zur Rekonstruktion von Geschehensabläufen und Tatgeschehen einzuholen". Das Sachverständigengutachten werde ergeben, dass das vom Angeklagten "im Rahmen einer sog. geschlossenen Verteidigererklärung geschilderte Tatgeschehen, welches zum Tode des K. geführt haben soll, nicht in der geschilderten Art und Weise stattgefunden haben kann". Das LG hat den Antrag gem. § 244 Abs. 3 S. 2 StPO im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die begehrte Einholung eines kriminaltechnischen Sachverständigengutachtens sei für den Beweis der behaupteten Tatsache völlig ungeeignet; die objektiv feststehenden Parameter, wie etwa insbesondere Körpergröße und Körpergewicht des Angeklagten sowie des Opfers, Maße und Beschaffenheit des Tatmessers, die im Rahmen der Obduktion des Leichnams erhobenen Befunde zur Stichverletzung, zum Verlauf und zur Tiefe des Stichkanals sowie zur Beschaffenheit der Eintrittswunde, weiterhin die in Augenschein genommenen Lichtbilder aus der Wohnung des Angeklagten, insbesondere des Wohnungsflurs sowie einer Planskizze des Flurs, aus denen sich dessen Größe, die Lage der Türen und der vorgefundenen Blutspuren ergeben, stellten keine ausreichende Grundlage für eine Rekonstruktion des Tathergangs dar und ließen keinen "sicheren Rückschluss" zu.

Der BGH (a.a.O.) führt aus: Der vom Nebenkläger gestellte Antrag sei ein Beweisantrag i.S.v. § 244 Abs. 3 StPO gewesen (zum Beweisantrag Burhoff, HV, Rn 835 ff. m.w.N.). Zwar erwecke die Antragsformel für sich genommen den Anschein, der Nebenkläger behaupte lediglich ein – von ihm noch dazu negativ formuliertes – Beweisziel. Aus der folgenden Begründung ergebe sich jedoch mit ausreichender Deutlichkeit, was er durch das Sachverständigengutachten tatsächlich zu belegen trachte, nämlich dass nach wissenschaftlichen Erfahrungssätzen der auf der Grundlage der vorhandenen Beweise und Spuren festzustellende Tathergang nicht mit den Angaben des Angeklagten zum Ablauf der Tat zu vereinbaren sei. Hierzu sei zum einen die (schriftlich vorbereitete) "geschlossene Verteidigererklärung" mit der Einlassung des Angeklagten in die Antragsbegründung eingestellt, zum anderen würden aber auch beispielhaft die – den Akten entnehmbaren – Parameter (Rauminhalt, Quadratmeterzahl, Blutanhaftungen, Stichkanal etc.) aufgelistet, anhand derer nach kriminaltechnischem Erfahrungswissen der Beleg zu führen sei, dass die Beschaffenheit des Tatortes, das Spuren- und Verletzungsbild sowie die weiteren objektivierbaren Tatumstände die Tatschilderung des Angeklagten widerlegen; es würden damit umfangreich Anknüpfungstatsachen benannt, auf die das Gutachten aufbauen solle. Damit werde gleichzeitig deutlich, dass es sich bei dem Beweisbegehren weder um einen bloßen Aufklärungsantrag handelt, der darauf gerichtet sei, durch Versuche oder Rekonstruktion der Tat hypothetisch mögliche andere Tatabläufe zu ermitteln (vgl. dazu LR/Becker, a.a.O., § 244 Rn 171 ff. m.w.N.), noch dass der Nebenkläger die allein dem Gericht obliegende abschließende Würdigung des Beweisergebnisses durch die Bewertung des Sachverständigen ersetzt wissen wolle. Deshalb unterscheide sich das Beweisthema im vorliegenden Fall entscheidend von dem eines Antrags, der begehre, lediglich die Ergebnisse eines operativen Fallanalysegutachtens in die Hauptverhandlung einzuführen (vgl. BGH NStZ 2006, 712). Somit sei – so der BGH – der Anwendungsbereich des § 244 Abs. 3 bis 6 StPO eröffnet.

Die Ablehnung des Beweisantrags durch das LG wegen völliger Ungeeignetheit i.S.d. § 244 Abs. 3 S. 2 StPO war dann aber nach Ansicht des BGH rechtsfehlerhaft. Werde eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, kommt die Ablehnung wegen Ungeeignetheit in Betracht, wenn es nicht möglich ist, dem Sachverständigen die tatsächlichen Grundlagen zu verschaffen, deren er für sein Gutachten bedarf. Umgekehrt sei ein Sachverständiger nicht aber schon dann ein völlig ungeeignetes Beweismittel, wenn er absehbar aus den Anknüpfungstatsachen keine sicheren und eindeutigen Schlüsse ziehen könne (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Burhoff, HV, Rn 878 ff.). Als Beweismittel eigne der Sachverständige sich vielmehr schon dann, wenn seine Folgerungen die unter Beweis gestellte Behauptung als mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen lassen würden und hierdurch unter Ber...

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