1. Durchsuchung
Im Zusammenhang mit der Anordnung von Durchsuchungsmaßnahmen ist hinzuweisen auf den Beschluss des BGH vom 12.8.2015 (StB 8/15; zur Durchsuchung umfassend Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2015, Rn 1360 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]). Ergangen ist der Beschluss in einem Ermittlungsverfahren, das der GBA gegen mehrere Beschuldigte wegen des Verdachts der Gründung und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung namens "Oldschool Society" geführt hat. Auf seinen Antrag hin hatte der Ermittlungsrichter des BGH die Durchsuchung der Person und Wohnung eines Beschuldigten sowie des von ihm genutzten Kraftfahrzeugs nach näher umschriebenen Beweismitteln angeordnet. Der Beschuldigte hat nach Vollzug der Durchsuchung Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung eingelegt. Mit dieser hat er beanstandet, dass die Durchsuchungsanordnung ausschließlich auf "Angaben vom Hörensagen" beruhe, die aus unzulässiger Quelle von geringer Glaubwürdigkeit, nämlich einem Verfassungsschutzbericht, stammten; Beweisergebnisse würden zudem nicht ausreichend konkret mitgeteilt.
Der BGH (a.a.O.) hat das anders gesehen und sich in dem Zusammenhang noch einmal zum eine Durchsuchung rechtfertigenden Anfangsverdacht (vgl. dazu auch Burhoff, EV, Rn 453 ff. und 1401 ff., jeweils m.w.N.) geäußert: Es genüge der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedürfe es – unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit – nicht (st. Rspr.; vgl. u.a. BVerfG NJW 2007, 1443; BGH NStZ-RR 2009, 142, 143). Auch Behördenzeugnisse der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder können nach Auffassung des BGH dazu beitragen, einen konkreten Verdacht in diesem Sinne zu begründen. Zwar handele es sich hierbei regelmäßig nur um sekundäre Beweismittel, welche die unmittelbaren Quellen der dort wiedergegebenen Erkenntnisse nicht oder nur unvollständig offen legen und daher einer vorsichtigen Würdigung und der Heranziehung weiterer zur Verfügung stehender Erkenntnismöglichkeiten bedürfen (vgl. BGHSt 53, 238, 247 zu einem hinreichenden Tatverdacht i.S.d. § 203 StPO). Dies nehme Behördenzeugnissen jedoch nicht von vornherein jeglichen Beweiswert. Der Umfang ihrer Beweiskraft bedürfe vielmehr einer Prüfung im Einzelfall. Dabei sei auch zu berücksichtigen, ob sie lediglich zum Beleg eines Anfangsverdachts (§ 160 Abs. 1 StPO) oder zur Begründung einer höheren Verdachtsstufe herangezogen werden. Soweit in den Behördenzeugnissen der Inhalt primärer Beweismittel wiedergegeben werde, beurteile sich die Zuverlässigkeit dieser Angaben nach allgemeinen Grundsätzen. Insoweit könne etwa die Konkretheit der Ausführungen ebenso von Bedeutung sein wie deren Umfang oder Objektivierung anhand weiterer, unmittelbar vorliegender Beweismittel. Im entschiedenen Fall hat der BGH dann sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung und einen Anfangsverdacht hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 129a StGB bejaht.
Hinweis:
Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass der BGH die "Einzelfallprüfung" betont/anmahnt. Der Verteidiger muss darauf achten, dass diese von den ggf. eine Durchsuchung anordnenden AG auch tatsächlich durchgeführt und die Durchsuchung nicht nur auf bloße Vermutungen gestützt wird. Gegebenenfalls muss der beschwerliche Weg zum BVerfG beschritten werden.
2. Pflichtverteidigungsfragen
a) Nochmals: Rückwirkende Bestellung
Anlass, um nochmals auf die mit der Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger zurückzukommen, ist der Beschluss des LG Saarbrücken vom 14.10.2015 (4 Qs 14/15), in dem es allerdings nicht um die Bestellung des Rechtsanwalts im Erkenntnisverfahren, sondern im Strafvollstreckungsverfahren ging. Das LG hat die Rechtsprechung der Obergerichte zur nachträglichen Beiordnung entsprechend angewendet und geht ebenfalls davon aus, dass eine nachträgliche Bestellung grundsätzlich ausscheidet (vgl. die Nachweise zur Rspr. bei Burhoff, EV, Rn 3043 ff.). Ausnahmsweise wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung ggf. zwar die Beiordnung durch schlüssiges Verhalten als möglich angesehen. Dafür ist aber erforderlich, dass das Verhalten des Vorsitzenden unter Beachtung der sonstigen maßgeblichen Umstände zweifelsfrei den Schluss auf eine Beiordnung rechtfertigt. Anerkannt ist eine solche konkludente Beiordnung in Fällen, in denen der Wahlverteidiger sein Mandat niedergelegt und beantragt hatte, ihn als Pflichtverteidiger zu bestellen, eine ausdrückliche Bestellung jedoch unterblieb (vgl. dazu auch OLG Celle, Beschl. v. 4.8.2015 – 2 Ws 111/15, StRR 2015, 461; zu allem ZAP F. 22 R, S. 914 f., 919 f.).
Das LG Saarbrücken (a.a.O.) hat diese Voraussetzungen dann verneint und das damit begründet, dass der Rechtsanwalt schon seine Bestellung nicht beantragt hatte und zudem auch die Voraussetzungen des § 140 A...