1. Verständigungsfragen (§§ 243, 257c StPO)
In ZAP F. 22 R, S. 893 ist eingehend über die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 StPO berichtet worden (s.a. Burhoff, HV, Rn 1866 m.w.N.). Auf folgende weitere Entscheidungen ist in dem Zusammenhang hinzuweisen (s.a. Rechtsprechungsübersicht zu Verständigungsfragen von Deutscher ZAP F. 22 R, S. 931 ff.).
a) Erforderlicher Inhalt der Mitteilung über eine Verständigung
Der BGH (Beschl. v. 23.7.2015 – 1 StR 149/15, StV 2016, 95) befasst sich mit dem Inhalt einer Mitteilung über eine Verständigung. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Gegenstand eines Gesprächs, an dem die Mitglieder der Strafkammer, die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger des Angeklagten, der im Wesentlichen geständig war, teilnahmen, waren u.a. die jeweiligen Erwartungen zur Strafhöhe für den Fall der anklagegemäßen Verurteilung des Angeklagten. In dem Gespräch wurden von den "Parteien" unterschiedliche Vorstellungen zum Strafmaß geäußert. Dazu findet sich dann später im Protokoll der Hauptverhandlung, in dem die Mitteilung des Vorsitzenden über dieses Gespräch enthalten ist, nichts.
Der BGH (a.a.O.) hat das als fehlerhaft angesehen. Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstrecke sich nach dem Sinn und Zweck der Mitteilungspflicht auch auf die Darlegung, welche Standpunkte zu den erörterten Aspekten vertreten wurden und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (vgl. u.a. BVerfG NJW 2013, 1058 = StRR 2013, 179; BGHSt 59, 252 = StRR 2014, 493; BGH NStZ 2014, 416, 417). Insbesondere Erörterungen über Strafmaßvorstellungen verleihen nach Auffassung des BGH einem Rechtsgespräch i.S.d. §§ 202a, 212 StPO ganz besonderes Gewicht. Sie weisen nicht nur einen Konnex zum Verfahrensergebnis auf, sondern betreffen dieses unmittelbar. Eine Mitteilung über Erörterungen i.S.d. § 243 Abs. 4 StPO, welche auf thematisierte Erwartungen zur Strafhöhe nicht im Einzelnen hinweist, sei alleine aus diesem Grunde rechtsfehlerhaft.
Hinweis:
M.E. ist es zutreffend, wenn der BGH die von den Gesprächsbeteiligten bei einer Erörterung geäußerten Vorstellungen über das Strafmaß quasi als "Kern-Inhalt" ansieht und eine Mitteilung darüber in öffentlicher Hauptverhandlung verlangt. Denn gerade die Strafhöhe ist im Verfahren eins der wesentlichen Kriterien (zur Mitteilung nach § 243 StPO im Übrigen Burhoff, HV, Rn 1866 ff. m.w.N.; s.a. noch Deutscher StRR 2014, 288).
Verstöße gegen die Mitteilungspflichten des § 243 Abs. 4 StPO führen im Übrigen regelmäßig dazu, dass ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler nicht ausgeschlossen werden kann; lediglich in Ausnahmefällen kann Abweichendes gelten (vgl. BVerfG a.a.O.; NStZ 2014, 592, 594; BGHSt 60, 150 = StRR 2015, 142). Die Annahme eines derartigen Ausnahmefalls hat der BGH in seinem Beschluss vom 23.7.2015 schon wegen der Schwere des Rechtsverstoßes verneint (vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung BVerfG NStZ 2015, 172, 174; BGH, a.a.O.; StRR 2015, 226; vgl. auch noch BGH, Beschl. v. 5.8.2015 – 5 StR 255/15, ZWH 2015, 367).
b) Verständigung über Teileinstellung
Der BGH (Beschl. v. 17.6.2015 – 2 StR 139/14, StraFo 2015, 515) ist in einem Verfahren mit dem Vorwurf des schweren Raubes ergangen. In dem hatten die Vorsitzende der Strafkammer und die Berichterstatterin in der Zeit zwischen dem vorletzten und dem letzten Sitzungstag – nach den Schlussvorträgen – eine Vorberatung durchgeführt. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Sache hinsichtlich eines zweiten Anklagevorwurfs gegen den Angeklagten noch nicht entscheidungsreif sei. Sie beabsichtigten, das Verfahren insoweit nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen, falls die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Antrag stellen würde. Die Vorsitzende bat die Berichterstatterin, den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft anzurufen, ihn über das Ergebnis der Zwischenberatung der Berufsrichter zu informieren und ihn zu fragen, ob er mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden sei. Die Berichterstatterin telefonierte mit dem Staatsanwalt, der einen Einstellungsantrag ankündigte. Die Verteidiger wurden hierüber zunächst nicht informiert. Im nächsten Hauptverhandlungstag trat das Gericht erneut in die Beweisaufnahme ein, worauf der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens über den zweiten Tatvorwurf gegen den Angeklagten beantragte. Dazu erhielten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme. Dabei teilte die Vorsitzende mit, dass die Frage der Teileinstellung des Verfahrens im Vorfeld mit der Staatsanwaltschaft geklärt worden sei. Diese Mitteilung wurde aber nicht im Protokoll der Hauptverhandlung vermerkt. "Nach Beratung am Tisch" beschloss die Strafkammer die Teileinstellung des Verfahrens hinsichtlich des zweiten Anklagepunktes. Es folgten eine Wiederholung der Schlussvorträge, die Erteilung des letzten Wortes an die Angeklagten, die Urteilsberatung und -verkündung.
Der BGH (a.a.O.) hat das Verfahren als rechtsfehlerhaft beanstandet. Na...