I. Hinweise
Bereits mehrfach wurde auf die geplante StPO-Reform hingewiesen (vgl. u.a. Burhoff ZAP F. 22 R, S. 865 – in Zusammenhang mit dem Referentenentwurf des BMJV). Inzwischen hat das Bundeskabinett am 14.12.2016 den Regierungsentwurf für ein "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" beschlossen (vgl. dazu die BR-Drucks 796/16). Die nachfolgenden Ausführungen zeigen auf, wo der Referentenentwurf und der Regierungsentwurf übereinstimmen bzw. wo sich Abweichungen ergeben, die im Zweifel auf der zwischenzeitlich erfolgten Anhörung der Verbände usw. beruhen.
- Nicht mehr enthalten ist das vom Referentenentwurf dem Beschuldigten eingeräumte Recht, schon im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers zu stellen, der dann unverzüglich hätte beschieden werden müssen. Damit bleibt es dabei, dass der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren kaum Möglichkeiten hinsichtlich der Bestellung eines Pflichtverteidigers hat und vom "Good will" der Staatsanwaltschaft abhängt (vgl. zu der Problematik BGH, Beschl. v. 9.9.2015 – 3 BGS 134/15, NJW 2015, 3383 = StRR 2015, 458). Der neue § 141 Abs. 3 S. 3 StPO ist da nur ein geringer Ausgleich.
- Entfallen ist auch die (teilweise) zwingende audiovisuelle Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen (§ 58a StPO). Allerdings muss die richterliche, staatsanwaltliche oder polizeiliche Vernehmung eines Beschuldigten in Bild und Ton aufgezeichnet werden, wenn dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen, oder wenn schutzwürdige Interessen des Beschuldigten durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
- Ebenfalls nicht aufgenommen worden ist das im Referentenentwurf vorgesehene Verbot der Überwachung von Anbahnungsgespräche zwischen Verteidigern und inhaftierten Beschuldigten.
- Der Referentenentwurf hatte die Verpflichtung des Vorsitzenden enthalten, in umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht den äußeren Ablauf der Hauptverhandlung vor der Terminsbestimmung mit dem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und dem Nebenklägervertreter zu erörtern. Vorgesehen war das für Verfahren, die voraussichtlich länger als drei Hauptverhandlungstage dauern. Dies ist eingeschränkt worden auf Verfahren, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage andauern wird.
- Im Referentenentwurf war das (neue) unbeschränkte Recht des Verteidigers vorgesehen, vor der Vernehmung des Angeklagten eine Erklärung zur Anklage abzugeben (Opening statement). Im Regierungsentwurf ist dieses Recht jetzt nur noch für Verfahren mit einer Verhandlungsdauer von voraussichtlich mindestens zehn Tagen vorgesehen.
- Die Einschränkungen im Beweisantragsrecht (Erweiterung des § 244 Abs. 6 StPO-E) und die Änderungen bei § 29 StPO sind erhalten geblieben.
Hinweis:
Ohne die Einzelheiten zu kennen, wage ich die Behauptung, dass diese Abweichungen auf die im "Anhörungsverfahren" abgegebenen Stellungnahmen der Bundesländer und der richterlichen Berufsverbände zurückgehen. Die Handschrift der anwaltlichen Berufsverbände tragen sie m.E. nicht.
II. Ermittlungsverfahren
1. Eröffnungsbeschluss
Der Eröffnungsbeschluss ist Verfahrensgrundlage. Fehlt es an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss i.S.d. §§ 203, 207 stopp, liegt ein in der Revisionsinstanz nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis vor (BGH NStZ 2012, 225 f.; OLG Hamm, Beschl. v. 11.8.2016 – 1 RVs 55/16; zur Behebung in der Hauptverhandlung s. Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl. 2016, Rn 1484 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, HV]). Das Verfahren ist dann einzustellen. Daher spielen die mit der Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses zusammenhängenden Fragen in der Praxis eine nicht unerhebliche Rolle.
Hinzuweisen ist in dem Zusammenhang auf das OLG Saarbrücken (Beschl. v. 1.12.2016 – Ss 71/16). Gegen den Angeklagten war Anklage wegen vorsätzlich unerlaubten Führens einer Schusswaffe in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erhoben worden. In der Akte befindet sich (nur) das mit dem Namenszeichen der zuständigen Richterin versehene amtliche Formular "Eröffnungsbeschluss" (3.11 Ri), das nur rudimentär ausgefüllt ist. Es enthält neben der Angabe des Beschlussdatums und der Bezeichnung des Gerichts, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, allein die handschriftliche Eintragung des Datums der Anklageschrift, ohne dass (zumindest) der Angeschuldigte namentlich bezeichnet oder das Aktenzeichen der Anklageschrift angegeben wird. Unmittelbar dahinter befindet sich in der Akte das amtliche Formular "Terminsbestimmung/-verlegung (StPO)" (1.13 Ri), das ebenfalls nur mit dem Namenszeichen der zuständigen Richterin unterzeichnet ist und keinen weiteren zur Konkretisierung des Angeklagten oder des Verfahrens geeigneten Inhalt enthält.
Das OLG Saarbrücken (a.a.O.) hat das für einen wirksamen Eröffnungsbeschlus...