Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und der Deutsche Anwaltverein (DAV) haben auf eine Entscheidung des BGH hingewiesen, wonach auch Anwaltsverträge den gesetzlichen Regeln für den Fernabsatz unterfallen und somit widerrufen werden können.
Dies hat der IX. Zivilsenat im November letzten Jahres entschieden und damit der Auffassung eine Absage erteilt, dass es beim Mandatsvertrag primär um persönliche Dienstleistungen gehe und der Widerruf eines Anwaltsvertrags deshalb generell nicht gerechtfertigt sei (Urt. v. 23.11.2017 – IX ZR 204/16 = ZAP EN-Nr. 145/2018, in diesem Heft). Es entspreche der Lebenswirklichkeit, so der BGH, dass sich auch Rechtsanwälte moderner Vertriebsformen über Fernkommunikationsmittel, insbesondere über das Internet, bedienten; der Schutz der Verbraucher gebiete es deshalb, die Normen des Fernabsatzrechts auch hier anzuwenden.
Mit einer der Anwendungsvoraussetzungen für die Fernabsatzvorschriften hatte sich der BGH genauer zu befassen: Nach § 312b Abs. 1 S. 1 BGB a.F. (jetzt § 312c BGB) kann der Unternehmer darlegen, der Vertragsschluss sei nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. In Bezug auf Rechtsanwälte stellte sich dem Gericht die Frage, wann von einem solchen System die Rede sein kann. Im konkreten Fall hatte sich der Anwalt eines Strukturvertriebs bedient, der für ihn durch Weitergabe von Vollmachtsformularen und Fragebögen eine Vielzahl von Kapitalanlage-Mandaten akquirierte.
Ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem, so der BGH, liege dann vor, wenn der Unternehmer die personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen habe, die notwendig seien, regelmäßig Geschäfte im Fernabsatz zu bewältigen. Allerdings heiße dies nicht, dass bloß weil der Anwalt die auch sonst zur Bewältigung des Kanzleibetriebs erforderlichen Vorrichtungen wie Briefkasten, elektronische Postfächer und/oder Telefon- und Faxanschlüsse vorhalte, bereits ein solches für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem bejaht werden könne.
Weil der vorliegende Fall recht klar lag, konnte der BGH offenlassen, ob und ggf. welche weiteren Mindestanforderungen an ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem zu stellen sind. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Anwaltshotlines und sog. Telekanzleien dürfte diese Frage aber früher oder später wieder die Gerichte beschäftigen.
[Quellen: BRAK/DAV]