1 Unterschiedliches Echo auf Koalitionsvertrag
Der zwischen den Parteien CDU/CSU und SPD Anfang Februar ausgehandelte Koalitionsvertrag hat unter Juristen ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Während der Deutsche Richterbund (DRB) die Pläne der möglichen nächsten Großen Koalition zur Justiz begrüßt, bemängelt der Deutsche Juristinnenbund (djb) Versäumnisse der "GroKo"-Verhandlungsführer.
So lobte der DRB-Vorsitzende Jens Gnisa nach Bekanntwerden der Einigungsgespräche in Berlin: "Der Vertrag sendet das wichtige Signal an die Justiz, dass Bund und Länder die drängenden Probleme in Gerichten und Staatsanwaltschaften jetzt gemeinsam lösen wollen." Insbesondere der angekündigte Pakt für den Rechtsstaat sei sehr erfreulich. Die Justiz wäre bei seiner Umsetzung endlich angemessen ausgestattet. Die Nöte der Justiz seien von den Politikern offenbar verstanden worden.
Eine Trendwende sei auch unerlässlich, denn die Justiz stehe vor zahlreichen Herausforderungen. "Viele Gerichte und Staatsanwaltschaften sind seit Jahren überlastet und nicht hinreichend ausgestattet. Zudem hat die Justiz in den kommenden Jahren eine große Pensionierungswelle zu verkraften", so Gnisa. Dennoch seien die Gerichte in der Vergangenheit durch immer neue und komplexere Gesetze belastet worden. Auch ermöglichten es die Verfahrensvorschriften gerade in umfangreichen Strafverfahren immer seltener, ein zügiges Urteil zu sprechen, so die Klage des DRB-Vorsitzenden. Es sei deshalb erfreulich, dass die große Koalition die Effizienz von Strafverfahren nun durch weitere Reformen erhöhen wolle.
Demgegenüber kritisierte der djb, dass sich die Hoffnungen der Frauen auf Verbesserungen im Bereich der Gleichstellungspolitik nur sehr begrenzt erfüllt hätten. Der Koalitionsvertrag setze zwar wichtige Akzente für Fortschritte in der Gleichstellungspolitik. Gleichzeitig würden aber zentrale Aspekte vernachlässigt, beklagte die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbunds e.V. (djb) Prof. Dr. Maria Wersig. Der djb hatte bereits das Sondierungspapier für einen Koalitionsvertrag kritisiert und konkretere Maßnahmen in wesentlichen Bereichen der Gleichstellungspolitik eingefordert.
Besonders enttäuschend, so Wersig, sei der Verzicht auf die längst überfällige Abschaffung der Lohnsteuerklasse V. Ebenso fehlten echte Fortschritte in Sachen Entgeltgleichheit und zur Gleichstellung in der Privatwirtschaft. Nicht zuletzt bleibe offen, wie der eklatante Gender Pension Gap reduziert werden solle. Als positiv bewertete der djb demgegenüber die Absichtserklärungen der Politiker in Sachen "Stärkung der Gleichstellungspolitik" sowie die Tatsache, dass in Berlin derzeit viele Frauen als künftige Ministerinnen diskutiert werden. Es bleibe zu hoffen, dass eine künftige Bundesregierung ihr Bekenntnis zu gleicher Partizipation von Frauen auch selbst umsetze, so Wersig.
[Quellen: DRB/djb]
2 Anwaltsvertrag kann als Fernabsatzvertrag widerruflich sein
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und der Deutsche Anwaltverein (DAV) haben auf eine Entscheidung des BGH hingewiesen, wonach auch Anwaltsverträge den gesetzlichen Regeln für den Fernabsatz unterfallen und somit widerrufen werden können.
Dies hat der IX. Zivilsenat im November letzten Jahres entschieden und damit der Auffassung eine Absage erteilt, dass es beim Mandatsvertrag primär um persönliche Dienstleistungen gehe und der Widerruf eines Anwaltsvertrags deshalb generell nicht gerechtfertigt sei (Urt. v. 23.11.2017 – IX ZR 204/16 = ZAP EN-Nr. 145/2018, in diesem Heft). Es entspreche der Lebenswirklichkeit, so der BGH, dass sich auch Rechtsanwälte moderner Vertriebsformen über Fernkommunikationsmittel, insbesondere über das Internet, bedienten; der Schutz der Verbraucher gebiete es deshalb, die Normen des Fernabsatzrechts auch hier anzuwenden.
Mit einer der Anwendungsvoraussetzungen für die Fernabsatzvorschriften hatte sich der BGH genauer zu befassen: Nach § 312b Abs. 1 S. 1 BGB a.F. (jetzt § 312c BGB) kann der Unternehmer darlegen, der Vertragsschluss sei nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. In Bezug auf Rechtsanwälte stellte sich dem Gericht die Frage, wann von einem solchen System die Rede sein kann. Im konkreten Fall hatte sich der Anwalt eines Strukturvertriebs bedient, der für ihn durch Weitergabe von Vollmachtsformularen und Fragebögen eine Vielzahl von Kapitalanlage-Mandaten akquirierte.
Ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem, so der BGH, liege dann vor, wenn der Unternehmer die personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen habe, die notwendig seien, regelmäßig Geschäfte im Fernabsatz zu bewältigen. Allerdings heiße dies nicht, dass bloß weil der Anwalt die auch sonst zur Bewältigung des Kanzleibetriebs erforderlichen Vorrichtungen wie Briefkasten, elektronische Postfächer und/oder Telefon- und Faxanschlüsse vorhalte, bereits ein solches für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem bejaht werden könne.
Weil der vorliegende Fall recht klar lag, konnte der BGH offenlassen, ob und ggf. welch...