aa) Ausgangspunkt
Einer der wichtigsten Punkte der Reform ist die grundlegende Umgestaltung der Opferentschädigung. Nach § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a.F. konnte ein Verfall nicht angeordnet werden, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde. Insofern war seitens der Verfolgungsbehörden lediglich eine Rückgewinnungshilfe nach Beschlagnahme bzw. dinglichem Arrest möglich (§§ 111b, 111d, 111i StPO, jew. a.F.). Die verbreitet als "Totengräber des Verfalls" bezeichnete Vorschrift des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a.F. sah der Gesetzgeber als zentrales Hindernis für die Opferentschädigung an und hat sie ersatzlos gestrichen. Damit ist eine Vermögensabschöpfung zukünftig auch durchzuführen bei Vermögensdelikten mit individuellen Geschädigten. Nicht erfasst sind allerdings etwaige Schmerzensgeldansprüche (BT-Drucks 18/9592, S. 51).
Hinweis:
Die Einziehung ist ausgeschlossen, soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist (§ 73e Abs. 1 StGB). Ergibt sich das erst im Vollstreckungsverfahren, ordnet das Gericht den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung an (§ 459g Abs. 4 StPO).
bb) Einziehung von Taterträgen oder deren Wertes
Hierbei ist zu unterscheiden:
(1) Tatertragseinziehung
Ist der deliktisch erlangte Tatertrag noch vorhanden, zieht ihn das Gericht gem. § 73 Abs. 1 StGB im Urteil ein. Eine vorläufige Sicherung erfolgt durch strafprozessuale Beschlagnahmeanordnung (§ 111b StPO). Mit Rechtskraft der Einziehungsentscheidung geht das Eigentum an der Sache auf den Staat über (§ 75 Abs. 1 StGB). Im Strafvollstreckungsverfahren wird der Gegenstand an den Geschädigten zurückübertragen (§ 459h Abs. 1 StPO, zum Verfahren s. § 459j StPO).
(2) Werteinziehung
Wenn der deliktisch erlangte Gegenstand selbst nicht mehr vorhanden ist, ordnet das Gericht nach § 73c StGB die Einziehung des Wertes des Tatertrags an. Zur Sicherung der Durchsetzung dieser Anordnung dient die Anordnung des Vermögensarrests (früher: dinglicher Arrest) in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschuldigten oder Drittbegünstigten (§ 111e StPO). Vermögensgegenstände, die in Vollziehung dieses Vermögensarrests gepfändet worden sind, werden nach Rechtskraft der Anordnung der Einziehung des Tatertrags verwertet, der Erlös an den Verletzten ausgekehrt (§ 459h Abs. 2 StPO, zum Verfahren s. § 459k StPO).
cc) Insolvenzverfahren
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Betroffenen tangiert nicht die Beschlagnahme von Sachen (Insolvenzfestigkeit, näher Trüg NJW 2017, 1913, 1917). Gleiches gilt für den Eigentums- bzw. Rechtserwerb des Staats (§ 75 Abs. 4 StGB). Im Grundsatz gilt das auch beim Vermögensarrest. Ist jedoch einem Verletzten aus der Tat ein zivilrechtlicher Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen, so erlischt bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Sicherungsrecht an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös (§ 111i Abs. 1 S. 1 StPO). In sog. Mangelfällen gilt § 111i Abs. 2 StPO: Gibt es mehrere Verletzte und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrests gesicherten Gegenstands oder des durch dessen Verwertung erzielten Erlöses nicht aus, um die aus der Tat erwachsenen und geltend gemachten Ansprüche der Verletzten auf Ersatz des Wertes des Erlangten zu befriedigen, stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners.
dd) Ausweitung der vorläufigen Maßnahmen
Die Absicht des Gesetzgebers, die strafrechtliche Vermögensabschöpfung stärker in der Praxis zu betonen, wird bei den gesetzlichen Voraussetzungen für vorläufige Maßnahmen deutlich. Ähnlich wie bisher kann eine vorläufige Maßnahme zur Sicherung der Vollstreckung erfolgen, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung (von Wertersatz) vorliegen (§§ 111b Abs. 1 S. 1, 111e Abs. 1 S. 1 StPO). Neu ist: Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll die Maßnahme angeordnet werden (jew. Satz 2 der vorgenannten Vorschriften). Vorläufige Maßnahmen gem. §§ 111b ff. StPO sind zukünftig also der Regelfall, wenn dringende Gründe für die Annahme gegeben sind, dass eine entsprechende Anordnung nach §§ 73 ff. StGB im Urteil erfolgen wird.
Hinweis:
Die Herausgabe von sichergestellten oder beschlagnahmten beweglichen Sachen, die für das Strafverfahren nicht mehr benötigt werden, regelt sich nach §§ 111n, 111o StPO (früher: § 111k StPO a.F.).
Die bislang umfängliche Bezugnahme auf Vorschriften der ZPO bei vorläufigen Maßnahmen ist durch die Reform auf das unumgängliche Mindestmaß beschränkt worden (BT-Drucks 18/9592, S. 49, 53 mit einer Übersicht zum Vollstreckungsmodell bei Einziehung des Wertes des Tatertrags). Das frühe...