aa) Bisheriges Modell
Bei der Bestimmung des Umfangs galt schon beim Verfall nach früherem Recht das sog. Bruttoprinzip. Dabei war nach der bisherigen Konzeption eine zweistufige Prüfung zu durchlaufen:
- Welcher Vorteil wurde aus der konkreten Tat erlangt?
- In welchem Umfang kann dieser Vorteil abgeschöpft werden?
Das Bruttoprinzip kam dabei erst auf der zweiten Stufe zur Anwendung: Aufwendungen des Täters oder von Dritten waren an dieser Stelle nicht abzugsfähig. Dieses Modell entsprach der Rechtsprechung des 5. Senats des BGH (BGHSt 47, 260 = NJW 2002, 2257; 50, 299 = NJW 2006, 925; NJW 2010, 882), dem sich der 3. Senat angeschlossen hat (BGHSt 57, 59 = NJW 2012, 1159; 59, 80 = NJW 2014, 1399; zum bußgeldrechtlichen Verfall insoweit Burhoff/Deutscher, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. 2018, Rn 3774 ff. m.w.N.). Der dem Verfall unterliegende Vermögensvorteil war danach zu bestimmen, was "letztlich strafbewehrt" ist. Bei an sich verbotenen Handlungen (z.B. beim unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln) konnte der gesamte daraus erzielte Erlös abgeschöpft werden. Sind hingegen lediglich die Art und Weise einer Auftragserlangung (z.B. durch Bestechung) oder der Ausführung des Auftrags "strafrechtlich bemakelt", war die Abschöpfung des gesamten Erlöses nicht gerechtfertigt. Dann unterlag lediglich der auf den "bemakelten" Teil entfallende Vorteil dem Verfall. Außerdem war eine "unmittelbare" Kausalbeziehung zwischen Tat und Vorteil erforderlich. Danach ist nur das ("unmittelbar") erlangt, was den Unwertgehalt der Tat ausmacht.
Demgegenüber wendete der 1. Senat des BGH das Bruttoprinzip umfassend an. Es sollten alle Vermögenswerte, die einem Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind, in ihrer Gesamtheit abzuschöpfen sein, eine Korrektur war nur über die Härtefallvorschrift des § 73c StGB a.F. möglich (NStZ 2011, 83; eingehend zur Bestimmung des Erlangten durch den BGH nach altem Recht Fischer, StGB, a.a.O., § 73 Rn 15–18).
bb) Neue Konzeption des Gesetzgebers
Der Gesetzgeber hat besagte Konzeption durch die neue Kodifikation geändert, und zwar in der Absicht, den Ansatz des 5. und 3. Senats des BGH zu eliminieren (BT-Drucks 18/9592, S. 55 f., 67 f.; 18/11640, S. 78). Umgesetzt wurde dies im Wege der Ersetzung des Begriffs "aus" der Tat durch den Begriff "durch" die Tat in § 73 Abs. 1 StGB. Hiernach soll jeder Vermögenswert abzuschöpfen sein, den der Tatbeteiligte "durch" die rechtswidrige Tat erlangt hat. Dies soll zum einen alles umfassen, was nach früherem Recht als das "aus" der Tat Erlangte abzuschöpfen war. Zum anderen soll durch die Neufassung der quasi-kondiktionelle Charakter der Vermögensabschöpfung unterstrichen werden. Die erforderliche Kausalbeziehung zwischen der Tat und dem rein gegenständlich zu bestimmenden Erlangten soll sich allein nach den Wertungen des Bereicherungsrechts richten (§ 817 S. 2 BGB). Sodann sollen Aufwendungen im Rahmen der Wertung des § 73d StGB in Abzug zu bringen sein. Auf diese Weise soll zwar das Zweistufenmodell an sich erhalten, die Prüfungskriterien aber verändert werden (BT-Drucks 18/9592, S. 56):
Welcher Vorteil wurde erlangt?
Der Einziehung des Tatertrags unterliegt, was der Täter durch die Tat erlangt hat, wobei das Erlangte "rein gegenständlich" zu bestimmen ist, ohne dass es auf eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen Tat und Bereicherung ankommen soll.
In welchem Umfang kann dieser Vorteil abgeschöpft werden?
Abzuziehen sind gem. § 73d StGB Aufwendungen, wobei Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen geschätzt werden können (§ 73d Abs. 2 StGB). Außer Betracht bleibt nach § 73d Abs. 2 S. 2 StGB jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt wurde, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten handelt. Nicht abzuziehen sind hiernach die aufgewendeten Beschaffungskosten für verbotene Betäubungsmittelgeschäfte. Hingegen soll der Wert von Konfektionskleidung, die betrügerisch als Einzelanfertigung eines renommierten Designers verkauft wird, in Abzug zu bringen sein (BT-Drucks 18/9592, S. 55; eingehend mit vielen Beispielen Köhler NStZ 2017, 497, 505–511).
cc) Bußgeldrechtliche Einziehung des Wertes von Taterträgen
Entsprechend geändert wurde auch die gesetzliche Festlegung des einzuziehenden Tatvorteils bei der bußgeldrechtlichen Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 29a Abs. 1 und 3 OWiG). Diese in der Praxis immer bedeutsamere Vorschrift findet Anwendung vor allen Dingen im Straßenverkehrsrecht bei Überladungsfällen oder Verstößen gegen das Sonntags-Fahrverbot. Dort hat sich ein differenziertes Beurteilungssystem zur Bestimmung des erlangten Vorteils herausausgebildet (näher m.w.N. Burhoff/Deutscher, a.a.O., Rn 3780 ff.).
Hinweis:
Unklar und zu beobachten bleibt, wie sich die Neufassung in diesem Bereich auswirken wird (zum "Verfall" in Höhe des gesamtem Transportlohns bei internationalen Gütertransporten BGHSt 62,114 = ZA...