Der Beschluss des AG Halle vom 2.11.2017 (394 Gs 651 Js 32786/17, StRR 1/2018, 23) befasst sich in zustimmenswerter Weise mit dem Recht des Beschuldigten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG im Fall der Inhaftierung. Der Verteidiger hatte bis zu einem von ihm beantragten Haftprüfungstermin keine Akteneinsicht, obwohl er unmittelbar nach seiner Beiordnung bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht und bei Gericht mündliche Haftprüfung beantragt hatte. Von der Staatsanwaltschaft erhielt der Verteidiger die Mitteilung, dass die Akten nicht verfügbar seien und demzufolge nicht übermittelt werden könnten. Bis zum Haftprüfungstermin, der zwei Wochen nach dem Akteneinsichtsgesuch stattfand, wurden dem Verteidiger keine Akten oder Aktenbestandteile zur Verfügung gestellt. Das AG hat auf den Haftprüfungsantrag den Haftbefehl aufgehoben.
Zur Begründung verweist das AG (a.a.O.) auf das in Art. 103 Abs. 1 GG statuierte Justizgrundrecht auf rechtliches Gehör. Nur unter seiner Verletzung hätte die Aufrechterhaltung des Haftbefehls beschlossen werden können. Dieses Justizgrundrecht beinhaltet nach Auffassung des AG im Falle einer Inhaftierung, dass der Beschuldigte sich im Rahmen einer mündlichen Haftprüfung zu denjenigen Umständen fundiert äußern kann, die zu diesem Zeitpunkt seine Inhaftierung tragen. Dies wiederum setze bei einem verteidigten Beschuldigten voraus, dass der Verteidiger vor dem Haftprüfungstermin zum einen die Gelegenheit gehabt habe, zumindest Einsicht in diejenigen Aktenbestandteile zu haben, welche konstituierend für die Inhaftierung seines Mandanten seien. Zum anderen müsse der Verteidiger eine ausreichende Zeitspanne zur Verfügung gestellt bekommen, um sich mit dem Verfahrensgegenstand und vor allem mit den die Inhaftierung tragenden Umständen vertraut zu machen, diese zu durchdenken und mit seinem Mandanten zu besprechen. Dazu reiche keinesfalls eine Zeitspanne von lediglich zwei Stunden aus (a.A. AG Frankfurt/O. StRR 2014, 402 [Ls.]).
Hinweis:
Das AG gibt der Staatsanwaltschaft sehr schöne Verhaltensmaßregeln/Anleitungen, wie das Recht des Beschuldigten auf rechtliches Gehör in der zwischen dem Eingang des Akteneinsichtsgesuchs des Verteidigers bei der Staatsanwaltschaft und dem Haftprüfungstermin liegenden Zeitspanne von zwei Wochen hätte sichergestellt werden können:
- Innerhalb der Zeitspanne von zwei Wochen hätte seitens der Staatsanwaltschaft Halle entweder das Haftsonderheft per Eilpost an den Verteidiger übersandt werden können oder es hätten ihm Kopien von denjenigen Aktenbestandteilen übersandt werden können, welche den dringenden Tatverdacht und den Haftgrund begründen; das waren maximal 52 Blätter.
- Es hätte die Möglichkeit bestanden, mit dem Verteidiger telefonisch Kontakt aufzunehmen, um ihn zu fragen, ob er sich ggf. in der fraglichen Zeit in der Nähe aufhält, um ihm das Haftsonderheft zur Einsicht auszuhändigen.
- Sofern die Staatsanwaltschaft hinsichtlich einer Versendung der Akten per Eilpost oder Übergabe der Akten an den Verteidiger die Befürchtung gehegt haben sollte, dass die Akten nicht rechtzeitig zum Haftprüfungstermin dem Ermittlungsrichter vorliegen würden, so hätte dieser dadurch begegnet werden können, mit dem zuständigen Ermittlungsrichter Kontakt aufzunehmen, um zu klären, ob es ggf. für ihn ausreichend sei, wenn der Verteidiger das Haftsonderheft zu dem Haftprüfungstermin mitbringt und dem Ermittlungsrichter aushändigt.