Die sog. sozialrechtliche A1-Bescheinigung dient als Nachweis der Sozialversicherungspflicht bei Entsendung von Arbeitnehmern ins EU-Ausland sowie den EFTA-Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz; mit ihr bleiben dem deutschen Versicherten lokale Sozialabgaben beim Arbeiten im EU-Ausland bzw. den EFTA-Staaten erspart.
Auch der Rechtsanwalt weist mit dieser Bescheinigung nach, dass er in Deutschland sozialrechtlich versichert ist und seine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten des anwaltlichen Versorgungswerks auch bei einem Auslandsaufenthalt weiter gilt. So soll Sozialversicherungsbetrug verhindert werden – wie auch immer er bei einem Rechtsanwalt – egal ob selbstständig oder angestellt – aussehen soll.
Diese Bescheinigung ist übrigens nicht nur bei einem längeren Auslandsaufenthalt, sondern bei jeder Dienstreise innerhalb der EU und des EFTA-Raums bei einer Kontrolle vorzuweisen; ansonsten können erhebliche Bußgelder fällig werden. Dabei ist es egal, ob es sich bei der Dienstreise ins Ausland um einen Gerichtstermin, ein Mandantengespräch, eine Fortbildungsveranstaltung oder die Teilnahme an einer Konferenz handelt: Jeder beruflich bedingte Grenzübertritt macht diese Bescheinigung notwendig. Selbst bei kurzen Dienstreisen von nur wenigen Stunden muss diese Bescheinigung mitgeführt werden.
Für angestellte Rechtsanwälte, auch für Syndikusrechtsanwälte, ist für den Arbeitgeber das elektronische Verfahren obligatorisch, Selbstständige müssen die A1-Bescheinigung weiterhin schriftlich beantragen. Seit dem 1.1.2019 ist nun das elektronische Antrags- und Bescheinigungsverfahren für alle Arbeitgeber verpflichtend geworden (§ 106 SGB IV, Art. 12 Abs. 1 der EU-Verordnung (EG) 883/2004). Mit Ausnahme von Selbstständigen: Sie beantragen die A1-Bescheinigung weiterhin schriftlich. Aber: Wo stellt man den Antrag?
Für gesetzlich krankenversicherte Mitarbeiter (auch freiwillig Versicherte oder im Rahmen der Familienversicherung) ist der Antrag auf eine A1-Bescheinigung bei der Krankenkasse zu stellen. Die Deutsche Rentenversicherung ist zuständig, wenn der Arbeitnehmer privat versichert ist. Angestellte Rechtsanwälte mit Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung (keine gesetzliche Krankenversicherung und Befreiung von der Rentenversicherungspflicht) richten den elektronischen Antrag über ihren Arbeitgeber an die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (Datenservice für berufsständische Versorgungseinrichtungen, www.dasbv.de ). Selbstständige Anwälte richten ihren Antrag (zu finden z.B. unter www.krankenkassen.de/ausland/portable/a1) wie zuvor auf dem Postweg an die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (Postfach 080254, 10002 Berlin). Eine digitale Lösung ist in Vorbereitung.
Bei Angestellten muss der Arbeitgeber die A1-Bescheinigung für den Arbeitnehmer über ein zertifiziertes Lohnprogramm elektronisch oder mittels einer maschinell erstellten Ausfüllhilfe beim zuständigen Träger beantragen. Dieser prüft, ob die Voraussetzungen für die Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschriften vorliegen. Die elektronisch übermittelte A1-Bescheinigung ist dann auszudrucken und mitzuführen.
Für jeden Auslandsaufenthalt muss immer wieder ein neuer Antrag gestellt werden. Die A1-Bescheinigung wird für Entsendungen von bis zu 24 Monaten ausgestellt. Sammelbescheinigungen gibt es nur, wenn der Reisende absehbar über einen Zeitraum von einem Jahr regelmäßig (mindestens zweimal im Monat oder fünfmal im Quartal) in EU-/EFTA-Staaten reist.
Hat man die A1-Bescheinigung auf einer Geschäftsreise im EU-/EFTA-Ausland nicht dabei, drohen nicht nur Bußgelder. Die Sozialversicherungsbeiträge können nach dem Recht des Aufenthaltslandes sofort eingezogen werden. Wie dies allerdings praktisch aussehen soll, weiß niemand und kann bisher nicht beantwortet werden. Auch der Zutritt zu Firmen- oder Messegeländen kann verweigert werden. Es wird erwartet, so die Vermutung des Deutschen Anwaltvereins, dass die Kontrollen zukünftig erheblich zunehmen.
Dieses neue Bürokratiemonster zeigt, wie wir uns selbst verwalten, ohne darüber nachzudenken, ob dies immer auf alle Berufsgruppen, gerade auch auf Freiberufler, passt.
Bei der Teilnahme an einem Gerichtstermin oder einem Mandantengespräch ist es für mich kaum vorstellbar, wie hier ein Sozialversicherungsbetrug aussehen sollte. Das gleiche gilt für den Besuch einer Konferenz.
Müsste hier nicht für alle verkammerten Freiberufler eine Ausnahme greifen?
Wäre es nicht ausreichend, wenn ein Rechtsanwalt bei einer Kontrolle seinen Anwaltsausweis, der ja auch im europäischen Bereich durch das CCBE-Siegel gilt, vorzeigen würde? Dann ließe sich sehr schnell klären, ob und wie er in seinem Heimatland sozialversicherungspflichtig ist.
Dass wir Anwälte bei allen Geschäftsreisen ins EU-/EFTA-Ausland die A1-Bescheinigung mitführen müssen, ist schon umständlich genug, aber dass diese für jeden noch so kur...