a) Einleitung
Es gibt keinen Automatismus, wonach der Schuldner die Inkassokosten dem Grunde oder der Höhe nach erstatten muss. Auch ist der gesetzlichen Lage folgend nicht das Inkassounternehmen Inhaber des Erstattungsanspruchs. Vielmehr macht das Inkassounternehmen den Erstattungsanspruch des Gläubigers als dessen Bevollmächtigter gegenüber dem Schuldner geltend. Ausgangspunkt jeder Überlegung ist, dass der Rahmen der Eigenobliegenheiten des Gläubigers verlassen wird und dieser einen Rechtsdienstleister beauftragen darf. Ist das der Fall, ist Grundlage des Erstattungsanspruchs eine konkrete materielle oder prozessuale Anspruchsgrundlage. Der Rechtsanwalt ist nach § 43d Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BRAO, das Inkassounternehmen nach § 11a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 RDG verpflichtet, diese Anspruchsgrundlage als "Entstehungsgrund" für den Erstattungsanspruch zu nennen.
Hinweis:
Bei § 11a RDG handelt es sich "nur" um Informationspflichten. Es wird also keine schlüssige Darstellung des Anspruchs verlangt. Der Schuldner oder sein Bevollmächtigten sollen mit allen Informationspflichten nach § 11a Abs. 1 S. 1 Nr. 1–6 RDG – und in gleicher Weise nach § 43d BRAO – nur in die Lage versetzt werden, festzustellen von welchem Anspruch der Gläubiger ausgeht, um dessen Voraussetzungen dann eigenständig zu prüfen. In der Regel wird der Entstehungsgrund in §§ 280, 286 BGB liegen.
b) Freistellungs- oder Zahlungsanspruch?
Bei einem Dienstvertrag und damit auch einem Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter ist vorbehaltlich abweichender vertraglicher Bestimmungen die Vergütung nach § 614 S. 1 BGB nach der Leistung der Dienste zu entrichten. Zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Hauptforderung wie der Nebenforderung sind die Rechtsverfolgungskosten, deren Erstattung verlangt wird, also regelmäßig noch nicht fällig. Das wirft die Frage auf, ob dem Gläubiger lediglich ein Freistellungs- oder auch ein Zahlungsanspruch zusteht. Nicht nur aus pragmatischen Gründen und zur Beschleunigung des Einziehungsprozesses, sondern auch aus Rechtsgründen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Gläubiger nicht nur einen Freistellungsanspruch, sondern unmittelbar einen Zahlungsanspruch hat, wenn der Schuldner den Ausgleich der Rechtsverfolgungskosten verweigert oder er unter Fristsetzung hierzu fruchtlos aufgefordert wurde (BGH, Urt. v. 9.7.2015 – I ZR 224/13, Rn 34; OLG Hamm, Urt. v. 23.10.2012 – 4 U 134/12; OLG Frankfurt, Urt. v. 23.11.2011 – 6 U 49/11; Krüger, in: MüKo-BGB, § 257 Rn 5; Musielak, ZPO, 15. Aufl., § 256 Rn 29; Weber NJW 2015, 1841). Da der Geschädigte fortgesetzt dem Vergütungsanspruch ausgesetzt ist, ist es auch nicht einzusehen, den Schädiger in anderer Weise zu privilegieren. Wer auf eine Gläubigermahnung nicht reagiert, nicht einmal um einen Zahlungsaufschub nachsucht, muss damit rechnen, dass die Forderung mit Hilfe eines Rechtsdienstleisters kostenpflichtig eingezogen wird.
c) Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat der Schädiger nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (zuletzt grundlegend: BGH, Urt. v. 17.9.2015 – IX ZR 280/14, NJW 2015, 3793; vgl. auch BGH, Urt. v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350; v. 23.10.2003 – IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446; v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04, NJW 2005, 1112; v. 6.10.2010 – VIII ZR 271/09, WuM 2010, 740; v. 23.1.2014 – III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn 48). Maßgeblich ist die ex-ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person (BGH, Beschl. v. 31.1.2012 – VIII ZR 277/11, NZM 2012, 607 Rn 4). Dabei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt (BGH, Urt. v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 351; v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04, NJW 2005, 1112). Ein Schadensfall in diesem Sinne liegt auch vor, wenn der Schuldner einer Entgeltforderung (BGH, Urt. v. 16.6.2010 – VIII ZR 259/09, NJW 2010, 3226 Rn 12; v. 17.7.2013 – VIII ZR 334/12, NJW 2014, 1171 Rn 13) in Zahlungsverzug gerät (BGH, Urt. v. 6.10.2010 – VIII ZR 271/09, WuM 2010, 740; v. 31.1.2012 – VIII ZR 277/11, NZM 2012, 607 Rn 4; v. 16.7.2015 – IX ZR 197/14).
Zur Beitreibung einer solchen Forderung ist dann regelmäßig selbst in einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig (BGH, Urt. v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 353). Für ein Inkassounternehmen kann vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich geforderten und oben dargestellten Gleichbehandlung nichts anderes gelten.
Hier ist es ganz wichtig zwischen der Rechtsprechung mit Fällen vor dem 1.7.2008 und späteren Fällen zu differenzieren. Seit dem 1.7.2008 ist das Inkassounternehmen bei unstreitigen Forderungen durch die Erweiterung der Postulationsfähigkeit in § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO in gleicher Weise handlungsfähig wie ein Rechtsanwalt. Ihm stehen die gleichen Instrumente zur Verfügung...