In der Praxis kommt die größte Bedeutung für die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten dem Verzug nach §§ 280, 286 BGB zu, da der ganz überwiegende Teil der Forderungen im Inkasso ihren Ursprung in vertraglichen Zahlungspflichten des Schuldners haben. Die Praxis zeigt immer wieder, dass bei der Frage nach der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten nur die Behauptung aufgestellt wird, diese seien erstattungsfähig oder eben nicht. Solche Behauptungen ersetzen aber nicht die sachgerechte Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen.
Checkliste: Voraussetzungen des Verzugs
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Vorliegen eines Schuldverhältnisses dem der Hauptanspruch entspringt, |
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(rechtliche) Möglichkeit der Leistung, |
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Pflichtverletzung in Form der Nichtleistung, |
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Fälligkeit der Leistung, |
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Durchsetzbarkeit der Forderung, |
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Mahnung nach § 286 Abs. 1 BGB oder deren Entbehrlichkeit nach § 286 Abs. 2 oder 3 BGB, |
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Verschulden, |
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Schaden. |
aa) Schuldverhältnis
Voraussetzung ist, dass der Schuldner dem Gläubiger aus einem vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Dies werden regelmäßig die typischen oder atypischen Verträge nach dem Zivilrecht sein. In Betracht kommen etwa der Kauf-, Werk-, Miet-, Darlehens- oder Dienstleistungsvertrag oder auch der atypische Leasing-, Telekommunikations- oder Energieversorgungsvertrag. Es kommen aber auch außerhalb des BGB Schuldverhältnisse vor, etwa der Versicherungsvertrag. Auch bei sachenrechtlichen (vgl. etwa §§ 90 Abs. 2, 1146 BGB), familienrechtlichen und erbrechtlichen Schuldverhältnissen sind die §§ 286 ff. BGB anwendbar, wobei die Besonderheiten des jeweiligen Schuldverhältnisses zu beachten sind (Palandt/Grüneberg, BGB, § 286 Rn 4; Löwisch/Feldmann, in: Staudinger, BGB (2014), Vorbem. zu §§ 286–291 Rn 37 ff.).
bb) Möglichkeit der Leistung
Diese Voraussetzung dient allein der Abgrenzung des Verzugs von den besonderen Regelungen der Unmöglichkeit. Ist eine Leistung i.S.d. § 275 BGB nicht mehr möglich, sind die Regelungen über die anfängliche oder nachträgliche Unmöglichkeit zur Anwendung zu bringen (Löwisch/Feldmann, in: Staudinger, BGB (2014), Vorbem. zu §§ 286–291 Rn 16). Die Leistung muss also nachholbar sein. Eine Geldleistung ist aber grundsätzlich noch möglich, so dass diese Voraussetzung immer vorliegt und in der Forderungseinzugspraxis keine Probleme aufwirft.
cc) Pflichtverletzung in Form der Nichtleistung
Voraussetzung des Verzugs ist nach § 281 BGB die nicht oder nicht fristgerechte Leistung. Der Gläubiger ist nur verpflichtet, die Nichtleistung zu behaupten. Macht der Schuldner dagegen geltend, seine Leistung erbracht zu haben, ist er für die Art der Leistung darlegungs- und beweispflichtig.
dd) Fälligkeit
Der Schuldner kann nach § 286 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann in Verzug geraten, wenn seine Leistung fällig ist. Fällig ist die Leistung, wenn der Gläubiger sie verlangen kann. Ausgangspunkt ist § 271 BGB, wonach die Leistung grundsätzlich sofort fällig ist, wenn nichts anderes geregelt ist. Eine anderweitige Regelung kann sich dabei sowohl aus dem Gesetz als auch aus vertraglichen Abreden ergeben.
Gesetzliche Fälligkeitsbestimmungen ergeben sich etwa im Allgemeinen aus § 271a BGB, für die Miete aus §§ 556b, 579 BGB, für die Pacht aus § 587 BGB, für die Leihe aus § 604 BGB, für den Sachdarlehensvertrag aus § 608 BGB, für den Dienstvertrag aus § 614 BGB, für den Werkvertrag aus § 641 BGB – mit der weiteren Voraussetzung der Abnahme –, für den Gewinnanspruch aus der Gesellschaft nach § 721 BGB, für Unterhaltsansprüche aus §§ 1361 Abs. 4, 1585 Abs. 1, 1612 Abs. 3 BGB oder für die Leistung des Versicherers einerseits und die Zahlung der Versicherungsprämie des Versicherten andererseits aus §§ 14, 33 VVG.
Praxishinweis:
Da es in vielen Fällen nicht der Interessenlage der Beteiligten entspricht, dass die Leistung sofort fällig ist, herrscht in der Praxis ein Vorrang der vertraglichen Regelung. Eine abweichende Fälligkeitsregelung muss der Schuldner darlegen und beweisen.
Mangels ausdrücklicher gesetzlicher oder vertraglicher Regelung hat die Fälligkeit regelmäßig keine formellen Voraussetzungen. Insbesondere ist eine Rechnungsstellung nur in Ausnahmefällen erforderlich, etwa §§ 8, 10 RVG, § 15 HOAI oder § 12 Abs. 1, 2 GOÄ.
ee) Durchsetzbarkeit
An der Durchsetzbarkeit der Forderung fehlt es, wenn sie verjährt ist oder die Restschuldbefreiung erteilt wurde und der Schuldner sich darauf beruft.
ff) Mahnung oder deren Entbehrlichkeit
Die Mahnung ist eine ernsthafte und unmissverständliche Leistungsaufforderung durch den Gläubiger an den Schuldner, die zu fordernde Leistung zu erbringen (BGH NJW 1998, 2132; Palandt/Grüneberg, BGB, § 286 Rn 16). Sie hat nach der Fälligkeit zu erfolgen.
Die Mahnung ist als eine geschäftsähnliche Handlung gleich einer einseitig empfangsbedürftigen Willenserklärung (BGH NJW 1987, 1547) weder an eine Form noch an eine Frist gebunden, soweit sich aus dem Vertrag oder einer spezialgesetzlichen Regelung nichts anderes ergibt. Die Frage nach der Form der Mahnung stellt sich allein im Zusammenhang mit dem Nachweis des Zugangs. Sie kann danach schriftlich, mündlich oder elektronisch erfolgen. Etwas anderes gilt nur, wenn ausdrücklich die...