Ein Staatsanwalt, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen worden ist, ist insoweit an der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung gehindert, als zwischen dem Gegenstand seiner Zeugenaussage und der nachfolgenden Mitwirkung an der Hauptverhandlung ein unlösbarer Zusammenhang besteht. Das ist das Fazit aus dem BGH-Beschluss vom 31.7.2018 (1 StR 382/17, NJW-Spezial 2018, 729). Der Angeklagte ist vom LG wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (BtM) verurteilt worden. Er hat gegen seine Verurteilung Revision eingelegt. Die ist u.a. mit der auf §§ 337, 22 Nr. 5 StPO analog, § 258 Abs. 1 StPO gestützten Verfahrensrüge, der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft habe den Schlussvortrag gehalten und die abschließende Beweiswürdigung vorgenommen, obwohl er zuvor von der Kammer als Zeuge vernommen worden sei, begründet worden.
Der Verfahrensrüge lag folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Der Angeklagte hatte die ihm zur Last gelegten Taten nicht eingeräumt. Das LG stützt seine Überzeugung von den die Strafbarkeit des Angeklagten begründenden Tatsachen maßgeblich auf die Angaben eines Zeugen K. Dieser hat den Sachverhalt im Wesentlichen wie vom LG festgestellt geschildert. Die Angaben des Zeugen K. werden daneben lediglich von weiteren Indizien gestützt. Das LG hat die Aussage des Zeugen K. demgemäß ausführlich gewürdigt und sie insbesondere mit Blick auf frühere Aussagen des Zeugen in anderen Verfahren einer eingehenden Konstanzanalyse unterzogen. Zu den Angaben des Zeugen K. zum verfahrensgegenständlichen Tatgeschehen im Rahmen einer Zeugenvernehmung im April 2015 in anderer Sache hat das LG neben drei Polizeibeamten auch den ebenfalls bei der Vernehmung anwesenden Staatsanwalt R. vernommen. Weiter hat die Strafkammer Staatsanwalt R. zur Aussage des Zeugen K. in einem weiteren Verfahren als einzigen Zeugen vernommen. Da Staatsanwalt R. auch im vorliegenden Verfahren mit der Sitzungsvertretung betraut war, wurde die Staatsanwaltschaft während dessen Zeugenaussage vor der Strafkammer durch Staatsanwalt H. vertreten. Nach der Vernehmung übernahm wiederum Staatsanwalt R. die Vertretung der Staatsanwaltschaft. Insbesondere hielt dieser auch den Schlussvortrag allein, wobei er sich ausweislich seiner Gegenerklärung "der wertenden Würdigung der eigenen Aussage enthielt".
Dazu der BGH (a.a.O.): Die Revision beanstande zu Recht, dass Staatsanwalt R. den Schlussvortrag gehalten und in diesem Rahmen das Beweisergebnis gewürdigt hat, obwohl er zuvor von der Strafkammer als Zeuge vernommen worden war; die beanstandete Verfahrensweise verletze § 22 Nr. 5 StPO analog, § 258 Abs. 1 StPO (§ 337 Abs. 2 StPO). Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft sei mit der Stellung des Staatsanwalts im Strafverfahren unvereinbar und deshalb unzulässig (vgl. BGH StV 1983, 53 m.w.N.; NStZ 2018, 482 m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sei ein Staatsanwalt, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen worden sei, insoweit an der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung gehindert, als zwischen dem Gegenstand seiner Zeugenaussage und der nachfolgenden Mitwirkung an der Hauptverhandlung ein unlösbarer Zusammenhang bestehe (BGHSt 21, 85, 89 f.; BGH NStZ 2018, 482 m.w.N.). Nehme der Staatsanwalt im Rahmen der weiteren Sitzungsvertretung eine Würdigung seiner eigenen Zeugenaussage vor oder beziehe sich seine Mitwirkung auf einen Gegenstand, der mit seiner Aussage in einem untrennbaren Zusammenhang stehe und einer gesonderten Bewertung nicht zugänglich sei, liegt ein relativer Revisionsgrund nach § 337 StPO vor (BGHSt 14, 265; BGH NStZ 2018, 482), der zur Aufhebung des Urteils führe, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Urteil hierauf beruht (vgl. BGH NJW 1987, 3088, 3090; NStZ 2018, 482 m.w.N.). Soweit sich die Aufgabenwahrnehmung in der Hauptverhandlung inhaltlich von der Erörterung und Bewertung der eigenen Zeugenaussage trennen lasse, sei der Staatsanwalt dagegen von einer weiteren Sitzungsvertretung nicht ausgeschlossen (BGH NStZ 1989, 583; 2018, 482; NStZ-RR 2001, 107 m.w.N.).
Von der vorgenannten Rechtsprechung Abstand zu nehmen, weil es der Angeklagte sonst – wie der Generalbundesanwalt zu bedenken gegeben hatte – in der Hand hätte, mit Hilfe geeigneter Beweisanträge den mit der Sache von Anfang an befassten und deshalb eingearbeiteten Anklagevertreter aus dem Verfahren zu entfernen (vgl. zu entsprechenden Bedenken auch BGH NStZ 1989, 583; NStZ 2008, 353 f.; krit. Kelker StV 2008, 381 ff.), biete der vorliegende Fall – so der BGH – schon deshalb keinen Anlass, weil die Vernehmung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft als Zeuge hier gerade nicht aufgrund eines Beweisantrags der Verteidigung erfolgte, weshalb vorliegend ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Verteidigung mit dem Ziel, den mit der Sache befassten und eingearbeiteten Anklagevertreter aus dem Verfahren zu entf...